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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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hinaus, daß es der ›sizilianischen Mafia‹ gehörte; normalerweise führte es eine bombastische, offiziell klingende Bezeichnung, wie ›Banco Ambrosiano ATM EuroDigiLira‹, doch die privaten Währungsspekulanten vermochten die Solvenz der Emittenten im allgemeinen recht gut einzuschätzen.
    Nicht selten brachen diese Privatwährungen aufgrund von schierer Gier oder Mißmanagement zusammen, und manchmal war es auch bloß Pech. Die unerbittlichen Kräfte des freien Marktes hatten allerdings eine gewisse Ordnung in das Kuddelmuddel gebracht. Viele Leute kannten heutzutage einfach nichts anderes als Privatwährungen mehr und glaubten, es müsse so sein.
    Wenn man privates digitales Geld benutzte, kannten nicht einmal die Geldverkäufer die Identität ihres Kunden. Wahrscheinlich hatte man als Käufer ebenfalls keine Ahnung, mit wem man es zu tun hatte, sondern kannte bloß den Kurs, die Marktkennung und die Performance. Abgesehen von einem nicht zu knackenden, verschlüsselten Paßwort hatte man selbst keine Identität. Wenn man unbedingt wollte, konnte man immer noch Regierungswährungen benutzen, und die meisten Leute taten das auch, entweder, weil es so für sie einfacher war, oder weil es ihnen an Alternativen mangelte. Die meisten Leute hatten in der Beziehung keine Wahl, denn der größte Teil der Weltbevölkerung war halt arm.
    Wegen des katastrophalen Verlusts an Kontrolle über die Grundlagen der Wirtschaft litten auch die meisten Regierungen. Von Regierungsseite emittierte Währungen waren kaum stabiler als die privaten. Die Regierungen, selbst diejenigen mächtiger, fortgeschrittener Länder, hatten die Kontrolle über ihre Währungen bereits Anfang der neunziger Jahre an die hin und her schwappenden Fluten des Währungshandels abgegeben. Das war der Hauptgrund, warum das Regime darauf verzichtet hatte, den US-Dollar zu stützen.
    Joe Brasseurs Privatwährungsnode im System der Truppe war in dem Geschäft keine Seltenheit: es war das digitale Äquivalent eines ganzen Bankenkonglomerats des zwanzigsten Jahrhunderts, konzentriert in ein paar Sektoren auf einer Festplatte.
    Um in der clínica von Nuevo Laredo aufgenommen zu werden, hatte Alex einen hübschen Batzen Privatgeld bei einer dritten Partei deponiert. Er hatte das Geld nicht zurückbekommen und hatte eigentlich auch keine Ahnung, wie er an das Geld herankommen könnte, meinte aber, Brasseur werde vielleicht eine Möglichkeit finden, das Geld aufzuspüren und es irgendwie wieder loszueisen. Falls er das schaffte, sollte die Truppe frei darüber verfügen können.
    Brasseur nahm Alex' Geständnis mit priesterlicher Gelassenheit auf, dabei ernst über den Brillenrand blickend, schließlich nickte er und machte sich an die Arbeit, und Alex hörte nie wieder von der Angelegenheit. Bloß daß sich die Lage für die Truppe anderthalb Wochen später merklich aufhellte. Ein Konvoi ehemaliger Trouper, Fred, Jose, Maureen, Palaniappan und Kenny, brachte einen Haufen Konservennahrung und ein Faß Bier mit. Die Kommandojurte erhielt einen neuen Teppich. Ein neuer Luftkondenser traf ein, der weniger wog als der alte, weniger Energie verbrauchte und mehr Wasser lieferte. Man veranstaltete eine Party, und ein paar Tage lang hatten alle bessere Laune.
    Niemand bedankte sich bei Alex dafür. Ihm sollte es recht sein, wenn kein großes Aufhebens um ihn oder seine Rolle gemacht wurde. Die, die davon wissen sollten, würden es auch erfahren. Alex hatte bereits herausgefunden, daß die meisten wichtigen Dinge bei der Truppe verdeckt abliefen. Es war beinahe wie das Leben in einer Baracke, in einem Schlafsaal oder einem Krankenzimmer für Tuberkulosekranke.
    Einige Trouper, darunter Mulcahey, Brasseur, Carol und Greg, wußten ziemlich viel und erfuhren es auch rasch. Zur zweiten Garnitur gehörten die, welche von sich aus ziemlich rasch dahinterkamen. Dazu gehörten Ellen Mae, Rudy Martinez und Mickey Kiehl. Dann waren da noch diejenigen, die von jemand anderem die offizielle Version aufgetischt bekamen, darunter Peter, Rick, Martha und Sam. Und gewisse innig geliebte Personen wie Bussard, Joanne, Jeff und auf ihre einzigartige Weise auch Juanita, wurden vor der ganzen furchtbaren Wahrheit zu ihrem eigenen Vorteil verschont.
    Den allerletzten und niedrigsten Rang nahmen die Kandidaten, die Freunde/Freundinnen aus der Stadt, die Ex-Ehemänner/Ex-Ehefrauen, die Besucher, Netzfreunde, Alex Unger selbst und die verschiedenen, nicht unmittelbar zur Truppe gehörenden

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