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Schwerelos

Schwerelos

Titel: Schwerelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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ich immer meine Hausaufgaben machte, um die schönen Mädchen bei mir abschreiben zu lassen und so ein klitzekleines bisschen Prestige abzukriegen.

    Ich habe einen geschulten Blick für Schönheit und für Dummheit. Und einen sehr schön dummen Eindruck machte die Begleiterin von Til Schweiger, der im «Grill Royal» am Tisch neben Regina und mir saß. So nah, dass wir leider jedes Wort der Unterhaltung verstehen konnten. Wobei «Un terhaltung » es nicht ganz trifft. Er sprach. Sie kicherte. Mit diesen durchdringenden, hohen Blöklauten, die klingen wie ein völlig außer Kontrolle geratenes Schaf auf Kokain.
    Keinen Eigenhumor haben, aber über jeden mittelmäßigen Scherz in unangemessen haltloses Gelächter ausbrechen: Das mag ich besonders.
    Einmal musste ich allerdings selbst sehr lachen. Herr Schweiger wies den Kellner an, den Kühler mit der Weinflasche auf dem Tisch zu lassen. «Ich schenke mir lieber selbst ein, statt ständig auf Sie warten zu müssen.»
    «Aber warum rufen Sie mich nicht einfach?», fragte der in seiner Ehre gekränkte Kellner.
    «Ey, Dicker, dann musst du mir deine Handynummer dalassen!»
    Das war nun wirklich lustig – was die Begleiterin von Herrn Schweiger allerdings nicht bemerkte. Als sie aufstand, um eine Freundin zu umarmen, dachte ich zunächst,das arme Ding hätte vergessen, sich zu ihrem fast durchsichtigen Trägerhemdchen eine Hose anzuziehen. Zu ihrem recht kurzen Kleid hatte sie sich einen meterlangen Schal um den Hals gewickelt. Sie sah aus wie ein Dessous-Model, das auf dem Laufsteg von einer Anakonda angefallen wird.
    Ich genoss den Abend sehr. In Hamburg gibt es ja keinen vergleichbaren Ort, weil der Hanseat bedauerlicherweise das Understatement liebt.
    Ich ja nicht.
    Ich zeige gerne, was ich habe – wenn ich denn was hätte   –, und ich sage gerne, was ich weiß. Ich hasse Diskretion. Sie ist so langweilig.
    Ein heimlicher Geliebter, so wie Regina ihn hat, wäre zum Beispiel nichts für mich. Das ist doch wie ein Jaguar, der nur in der Garage steht. Wie ein Brillantring, der nie aus dem Safe genommen wird. Wie ein Professorentitel, den man nicht im Namen führt. Was hat man davon? Wenn ich was weiß, möchte ich auch, dass alle anderen wissen, dass ich was weiß. Sollte ich mal in die Verlegenheit kommen, Picassos zu sammeln oder Diademe der Zarendynastie, würde nichts davon in einem Tresor verschwinden.
    Die Picassos würde ich ins Gästeklo hängen und bei Budnikowsky Diademe tragen. Wenn ich reich wäre, möchte ich es mir auch leisten können, beklaut zu werden.
    Regina und ich blieben bis zwei Uhr im «Grill Royal». Ein paar Minuten später klingelten wir an der Tür der «Bar Tausend». Wir hörten ein kurzes «heute Abend nur für geladene Gäste», dann wurde die Tür wieder geschlossen.
    «Entschuldige, darf ich mal», sagte eine Stimme hinter uns. Es war die Begleiterin von Herrn Schweiger mit ihrer Freundin. Beide wurden augenblicklich reingelassen.
    Ich war wütend und beschämt und fühlte mich wie im Sommer 1989, als ich in München mehrfach an der Tür des «P1» scheiterte. Ich trug geringelte Overknees und perlmuttfarbenen Lipgloss, und trotzdem: Immer wenn ich dann endlich an der Reihe war, hieß es: «Sorry, geschlossene Gesellschaft.»
    Eine geschlossene Gesellschaft, die natürlich immer offen war für Leute, die schön oder berühmt waren oder wenigstens im richtigen Auto vorfuhren. Ich fuhr irgendwas Günstiges mit Dieselmotor, und das hat mir der Türsteher wohl angesehen. Er bedeutete mir mit einer nachlässigen Geste, ich solle kehrtmachen und verschwinden.
    Was hätte ich tun sollen? Rufen: «Ich habe zwei Bücher von Nietzsche gelesen und sogar etliches darin unterstrichen»? Ich murmelte stattdessen etwas wie: «Wenn ich mal ’ne eigene Disco hab, dann lass ich Sie auch nicht rein», und schlich blamiert davon.
    Auf dem Heimweg von der «Bar Tausend» versprach Regina, mit ihrem Geliebten über unsere demütigende Behandlung zu sprechen. Vielleicht konnte er seinen Einfluss geltend machen und den Betreibern der Bar aus irgendwelchen Gründen eine saftige Konventionalstrafe verpassen. Was für ein Trost: Du bist zu alt, um in eine Bar reinzukommen, aber mächtig genug, sie schließen zu lassen.

    Mit meinem Selbstbewusstsein ist das so eine Sache. Natürlich würde ich von mir selbst sagen, dass ich eine selbstbewusste Frau bin. Ich bin aber nicht auf die Art selbstbewusst, wie ich braunhaarig, eins siebzig oder heißhungrig

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