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Schwerelos

Schwerelos

Titel: Schwerelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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Gesichtsgymnastik vor dem Spiegel eingeübt hatte.
    Anuschka nahm den Zwölftausend-Euro-Füller entgegen und küsste anmutig ihren Mann. Ich seufzte aus Versehen etwas zu laut.
    «Guter Typ, dieser Bertram, oder? Leider moralisch einwandfrei, keine Affären. Da bohrst du auf Beton.»
    «Ja und? Ich will doch gar keine Affäre.»
    «Das sagst du jetzt. Aber warte, bis du erst verheiratet bist.»
     
    Michael Conradi hatte sein Erscheinen bei «Bertram» an Bedingungen geknüpft. In seiner Garderobe müssten Barolo, Valium und Betablocker, die die Herzfrequenz reduzieren, sein, unauffällig verpackt in einem Präsentkorb von Butter Lindner. Was mir ein wenig schmeichelte: Die Redaktion musste ihm schriftlich bestätigen, dass ich vor, während und nach der Sendung ständig in seiner Nähe sein würde.
    «Hervorragende Idee», hatte Regina gesagt. «Wir verkabeln Marie, setzen sie in den Zuschauerraum, und irgendwann wird Bertram sie direkt ansprechen und fragen, wie sie den berühmten Michael Conradi entdeckt hat.»
    Ich war von Reginas Plan nur mäßig begeistert. Ich gehöre zu der Generation, die noch bei «Am laufenden Band» mitgeraten hat. Frank Elstner, Hans Rosenthal, Wim Thoelke, Jock Ewing und Ben Cartwright – ja, das waren doch allesamt Vaterfiguren für mich! Ich habe im Frotteeschlafanzug, den warmen Dr.-Oetker-Vanillepudding direkt aus dem Kochtopf essend, vor dem Fernseher gesessen und Thomas Gottschalk und Adam angebetet, den eindeutig bestaussehenden der Brüder von der Ponderosa Ranch. So was legt man nicht einfach ab. So eine über Jahre geprägte Achtung wird man nicht so schnell wieder los.
    Kameras flößen mir Respekt ein, und immer wenn ich mir «Bauer sucht Frau» oder das Casting für «Deutschland sucht den Superstar» anschaue, merke ich doch sehr deutlich, dass das bei vielen anderen Menschen nicht mehr so ist.
    Hauptsache ins Fernsehen. Egal wie. Auch wenn die Frisur nicht sitzt und der IQ nicht messbar ist.
    Meine Devise lautete bisher: Hauptsache nicht ins Fernsehen, egal wie. Kameras machen mich nun mal nervös. Und wirklich, wenn ich das deutsche Fernsehprogramm betrachte, wünschte ich mir sehr, dass das ein paar mehr Leuten auch so ginge.
    «Ach übrigens», hatte mir Regina noch mitgegeben, «du weißt, dass Fernsehen fett macht, oder? Du siehst auf dem Bildschirm vier Kilo dicker aus, als du bist.»
    «Na und? Wichtig ist doch, was ich sage, und nicht, wieich dabei aussehe. Ich will doch nicht Germany’s next Topmodel werden.»
    Ich sagte das in jener strengen Tonlage, die man gemeinhin bei Frauen vorfindet, die sich die Achselhaare nicht rasieren, ihre Menstruationsbeschwerden mit Eigenurin behandeln und unter einer gelungenen Konversation eine Diskussion über das deutsche Bildungssystem im internationalen Vergleich verstehen.
    Ich schwieg abweisend, beschloss aber selbstverständlich in diesem Moment sofortigen Totalverzicht auf Kohlenhydrate, Zucker, Alkohol, Fett und generell auf feste Kost nach achtzehn Uhr. Vier Kilo in fünf Tagen!? Das musste doch irgendwie zu schaffen sein.
    Regina hatte ja auch echt leicht reden mit ihrer teenagerhaften Figur. Ich mag es eigentlich nicht besonders, wenn Menschen, die mir nahestehen, ständig dünner sind als ich. Selbst ernährungsmäßig kritische Phasen wie Adventszeit, Osterfeiertage oder Urlaub in einem Hotel mit täglichem All-you-can-eat-Buffet gehen an Reginas Körper spurlos vorbei.
    Wobei man sagen muss, dass Reginas Motivation, ein ideales Gewicht zu halten, natürlich auch viel größer ist als meine. Wenn ich einmal die Woche heimlichen Sex mit einem bekannten Politiker hätte, würde ich auch dafür sorgen, dabei nicht wie ein lüsternes Hängebauchschweinchen auszusehen.
    Zumal bei Regina ja immer die Möglichkeit dazukommt, dabei auch noch entdeckt zu werden. «Sollte es jemals ein Paparazzi-Foto von ihm und mir geben», so ihr nachvollziehbarer Standpunkt, «will ich darauf auf jeden Fall jünger und schöner und dünner aussehen als seine Frau.»
    Grauenvoll ist für Regina die Vorstellung, im Pediküre-Salon die «Bunte» aufzuschlagen und ein unvorteilhaftes Foto von sich zu entdecken mit der Schlagzeile: «Für so eine Frau riskiert er alles! Warum?»
    Seit Regina ihre Affäre hat, sind ihre Oberschenkel viel straffer, ihre Füße und ihre Unterwäsche viel ansehnlicher und unsere gemütlichen Abende viel ungemütlicher geworden.
    Meist kommt sie direkt vom Kurs «Super Sweat   – Power pur für alle, die

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