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Schwerelos

Schwerelos

Titel: Schwerelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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Fernsehen, aber so blöde, den Sender im Klo zu versenken, ist noch keiner gewesen.»
    «Danke, Regina. Ich hätte mit dieser gutgemeinten Lüge sehr gut leben können. Wie gut es sich mit Lügen leben lässt, weißt du ja wohl am besten. Wie geht es denn dem werten Herrn Gemahl und dem lieben Liebhaber?»
    «Oh, Frollein Goldhausen sind etwas verstimmt?»
    «Nicht verstimmt, nur sehr nervös.»
    «Dann nimm dir ein Beispiel an deinem Herrn Conradi. Der sitzt in seiner Garderobe, trinkt Rotwein und ist die Ruhe selbst. Ein guter Typ übrigens. Warum hast du uns nicht längst mal vorgestellt?»
    «Du hast zwei Männer, er hat zwei Frauen. Da schien mir kein Bedarf an zusätzlichen Bekanntschaften zu bestehen.»
     
    Regina hatte mich gebeten, Michael Conradi zu einem Auftritt bei «Bertram» zu überreden, einer auf Gefühliges spezialisierten Talkshow, für die sie Gäste castete und betreute.
    Der Moderator ist Theo Bertram, ein Anfang-vierzig-Jähriger mit gutem Witz, Schlagfertigkeit und einer Spur Bösartigkeit. Nicht unerheblich für seine guten Quoten dürfte sein, dass er ein wenig an Gérard Depardieu erinnert, nur größer und schlaksiger und mit einer schuljungenhaften Art, sich zu bewegen, als habe er sich an seine eigene Größe noch nicht ganz gewöhnt.
    Bertram ist seit Jahren gerüchtefrei verheiratet und mit drei Kindern gesegnet – alle von derselben Frau, einerschmalen, südamerikanisch anmutenden Schönheit mit langem, seidig glänzendem, dickem Haar, wie man es sonst ausschließlich aus Werbespots für langes, seidig glänzendes, dickes Haar kennt.
    Ich frage mich wirklich, wie diese Frauen das machen: Passen Minuten nach der Entbindung wieder in ihre 27er Miss-Sixty-Jeans und rennen leichtfüßig zwei Wochen später hinter ihrem Jogging-Kinderwagen an der Alster entlang. Für mich immer noch demütigend ist die Szene, wie Heidi Klum vier Wochen nach der Geburt ihres zweiten Kindes in Unterwäsche für Victoria’s Secret über den Laufsteg schwebte. Man sah ihr nichts an. Und ich? Ich habe noch nicht mal ein einziges Kind bekommen – was man mir leider auch nicht ansieht.
    Michael Conradi hat ein zwiespältiges Verhältnis zu öffentlichen Auftritten. Einerseits liebt er es, Mittelpunkt zu sein und sich selbst reden zu hören. Andererseits setzt er sich selbst so unter Erfolgsdruck, dass er schwerstes Lampenfieber hat. Trotz seiner Gefallsucht trat er deshalb fast nie im Fernsehen auf.
    Sogar Lesungen sind für ihn eine Katastrophe. Und für mich auch. Bereits Tage vorher muss er rund um die Uhr beruhigt, ermutigt oder abgelenkt werden. Wir hatten bereits mit sämtlichen legalen Beruhigungsmitteln herumexperimentiert, aber keines hatte ihm die Auftrittsangst nehmen können.
    Ich hatte mein Möglichstes gegeben, dass er bei «Bertram» zusagt. «Das Thema des Abends lautet: ‹Ist die Ehe ein Auslaufmodell?› Dazu haben Sie doch bestimmt eine Menge zu sagen. Außerdem ist Bertram intellektuell Ihre Liga. Wenn schon Talkshow, dann seine.»
    Ich hatte Bertram vor einem Jahr kennengelernt. Nun ja, kennengelernt ist vielleicht eine übertriebene Formulierung. Ich hatte ihn und seine Frau Anuschka von weitem in echt gesehen.
    Regina hatte mich ins Hotel Louis C.   Jakob mitgenommen, wo alljährlich die Zeitschrift «Gala» das «Couple of the year» kürt.
    Die Kriterien, nach denen diese Auszeichnung vergeben wird, haben sich mir ehrlich gesagt nicht völlig erschlossen. Wenn ich es richtig verstanden habe, muss man verheiratet sein, sich nicht so betrügen, dass es jeder mitbekommt, mindestens ein gemeinsames Kind in die Welt setzen und am Abend der Preisverleihung nichts Besseres vorhaben.
    In den vergangenen Jahren hatte die «Gala» nicht immer ein glückliches Händchen bewiesen. Kurz nachdem sie zum Paar des Jahres ernannt worden waren, hatten sich sowohl Til und Dana Schweiger als auch Natalia Wörner und Robert Seeliger getrennt. Wer nach der Scheidung den Preis – einen Montblanc-Füller für zwölftausend Euro – behalten durfte, ist meines Wissens nicht überliefert.
    Ich musste einige «Gala»-Ausgaben verpasst haben, denn ich erkannte die Gewinnerin des Vorjahres nicht. Ich hielt sie für eine äußerst frühreife Vierzehnjährige, die an diesem Abend mal länger aufbleiben durfte, aber schon mal ihr so gut wie durchsichtiges Nachthemd angezogen hatte.
    Gerade wollte ich Regina eine abfällige Bemerkung über die Jugend von heute zuzischeln, als die Vierzehnjährige die Bühne

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