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Schwerelos

Schwerelos

Titel: Schwerelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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bereits eine ausgezeichnete Grundausdauer haben», isst von den Spaghetti mit Gorgonzolasauce und Salat nur den Salat und von der Packung Toffifee gar nichts. Nicht schwer zu erraten, in wessen Fettdepots an einem solchen Abend die versammelten Kalorien landen.
    Wann immer ich mit Regina das Fitnessstudio besuche, komme ich mir neben ihr auf der Matte vor wie etwas Großes und Schwabbeliges, was die Flut mühsam an Land gespült hat. Ich versuche dann immer, nicht darüber nachzudenken, was ich da gerade tue. Es gibt ja so einige Dinge, über die man lieber nicht genauer nachgrübeln sollte, während man sie tut. Schuhe kaufen gehört in der Regel dazu. Und Innereien essen. Es empfiehlt sich auch nicht, über dem Atlantik zu grübeln, warum so ein Flugzeug eigentlich fliegen kann. Und wenn einer auf dem Laufband anfängt, sich klarzumachen, womit er da gerade seine Zeit verbringt, kommt er sich schneller blöd vor, als er zwei Kalorien verbrannt hat. Tausende von Trotteln rennen auf der Stelle, um etwas loszuwerden, was ihr Körper sowieso nicht gebraucht hat. Wie beknackt muss man denn eigentlich sein, wenn man den einen Zivilisationsirrsinn «Mehr essen, als man braucht» mit dem anderen Zivilisationsirrsinn «Sich bewegen, ohnevoranzukommen» bekämpft? Hat man je bedauernswertere Kreaturen gesehen als eine Gruppe Frauen beim «Complete Body Workout»? Der Kurs, den ich versuche, regelmäßig zu besuchen, ist immer sehr voll und wird geleitet von einer unglaublich muskulösen Frau namens Silke.

    Silke kann sich überhaupt nicht vorstellen, dass es auf dieser Welt Körper gibt, die nach zwanzig Sit-ups zum Boykott aufrufen. Wobei die Bodenübungen ja noch vergleichsweise harmlos sind, weil man zwischendrin aufhören und so tun kann, als müsse man seine Schuhe neu binden oder seinen Wasserhaushalt ausgleichen. Viel schlimmer ist die erste Viertelstunde «Aufwärmen», nach der mir jedes Mal bereits der Hitzekollaps droht. In für mich unübersichtlicher und viel zu schneller Folge verlangt uns Silke Schrittfolgen ab, für die es noch nicht mal deutsche Vokabeln gibt: Double-Knee-Lift, V-Step right, Marching, Cross to side, Leg curl, V-Step left.
    Nun tue ich mich mit dem Auseinanderhalten von rechts und links ja schon in meiner Muttersprache schwer, und so passiert es mir regelmäßig, dass ich das kollektiv und harmonisch wogende und stampfende Gebilde dünstender Körper fundamental durcheinanderbringe, wenn ich meinen Ausfallschritt gegen das Schienbein meiner Nachbarin und somit in die falsche Richtung mache.
    Was waren das doch für herrliche Zeiten, als Sport noch «Trimm dich» und nicht «Indoor Power Fatburning» hieß und man einfach essen konnte, statt sich zu ernähren. Aber leider ist die Zeit des unbekümmerten Drauflosessens und Drauflosrennens schon lange vorbei.
    Wehe, du verlässt beim Joggen die aerobe Zone. Und Walking sei angeblich sowieso besser, weil es das Bindegewebenicht unnötig belastet. Aerobic geht total auf die Knochen, und Spinat hat ja längst nicht so viel Eisen, wie unsere Mamas glaubten.
    Und auch die Kartoffel spielt ja eine durchaus umstrittene Rolle in nationalen und internationalen Ernährungspyramiden. Von diesen Pyramiden, jede selbstverständlich mit Hilfe von promovierten Super-Experten erschaffen, gibt es ja mittlerweile mehr Varianten als Ehen von Zsa Zsa Gabor.
    Natürlich habe ich eine jede dieser Ernährungspyramiden persönlich besichtigt, natürlich kenne ich alle Ernährungstipps, und ich weiß auswendig, wie hoch der glykämische Index von Croissants ist, wohingegen ich mich auf die ganz genaue Anzahl unserer Bundesländer lieber nicht festlegen würde.
    Alle Theorien zum Abnehmen sind mir bekannt. So das Gewäsch: «Verbotene Speisen verlieren ihren Reiz, sobald sie erlaubt sind.» Ein Hähnchenschnitzel im Knuspermantel bleibt reizvoll, ob erlaubt oder verboten.
    Ich habe Abitur gemacht, einen Bestsellerautor entdeckt und einen klugen Mann an mich gebunden, aber ich habe trotzdem irgendwie nicht so richtig kapiert, dass es nicht Hunderte verschiedene Diäten geben würde, wenn eine von ihnen wirklich funktionieren würde, und dass Kate Moss tausendprozentig lügt, wenn sie sagt: «Ich esse alles, was ich will – sogar Schokolade.»
    In meinem Bücherregal parkt in zweiter Reihe – getarnt durch eine Fontane-Schmuckkassette – die «Für immer jung, schön, schlank, und das ganz ohne Mühe»-Kollektion. Der einzige Trost: Ich bin diesbezüglich nicht die

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