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Schwerelos

Schwerelos

Titel: Schwerelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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Bücherregal von minderwertiger Frauenliteratur und meiner «Tim und Struppi»-Samm lung zu säubern.
    Theos Antwort kam innerhalb von Sekunden: «Ich werde da sein. Theo.»
    Auf dem Rückflug fragte ich mich, ob ich den Verstand verloren hätte. Und meine vorläufige Antwort lautete: Ja.
    Ich war drauf und dran, meine Ehe beziehungsweise das, was meine Ehe werden sollte, aufs Spiel zu setzen. Und ich war drauf und dran, meinen Job zu verlieren. Herzlichen Glückwunsch, Rosemarie Goldhausen, ist es das, was Sie sich unter Sicherheit, Erwachsensein und Professionalität vorgestellt hatten? Ihren Freund zu betrügen und ihren Autor verschwinden zu lassen?
    Ich würde ohne Michael Conradi und ohne ein Kapitel von «Liebeslügen» zurückkommen. Und ich hatte noch nicht einmal versucht, ihn aufzuhalten oder umzustimmen. Denn ich finde, dass er genau das Richtige tut.
    Er geht auf Wanderschaft. Er tut das, wovon er immer geträumt hat: durchquert Frankreich und Italien. Läuft sich die Füße wund und das Herz. Schläft in Herbergen, in denen die Schnäpse selbst gebrannt werden, ein Kreuz über dem Bett hängt und Kreditkarten kein Zahlungsmittel sind.
    «Und wann kommen Sie von Ihrer Selbstsuche zurück?»
    «Ich weiß es nicht.»
    «Und Ihre Frau? Und Ihre Freundin?»
    «Ich habe ein träges Herz. Ich bin nicht gut im Lieben. Das wissen die beiden. Ich habe anderen nicht viel zu geben. Und ich fange an, darunter zu leiden. Es ist nämlich ein weitverbreiteter Irrtum, zu glauben, dass der, der mehr liebt, automatisch auch mehr leidet. Ich finde es wesentlich schlimmer, nicht lieben zu können, als zu lieben, aber nicht zurückgeliebt zu werden.»
    «Sie finden ja immer das, was Ihnen widerfährt, ganz besonders schlimm.»
    «Haben Sie schon vergessen, dass meine Frau mich betrogen hat?»
    «Na und? Ihr Buch handelt davon, dass man Bedürfnisse auslagern soll, um die Liebe nicht zu überfrachten.»
    «Scheißbuch! Natürlich soll man viel wollen. Bloß nicht von einem emotionalen Zwerg wie mir. Das Schlimme ist, ich kann meine Frau sogar verstehen, dass sie mich betrogen hat. Ich halte mich selbst für einen Mann, den man betrügen sollte, weil man sonst an meiner Seite zu kurz kommt. Ist es nicht schrecklich: Verstehen kann ich meine Frau, aber verzeihen kann ich ihr nicht. Ich bin kein Glücklichmacher. Ich bin am besten, wenn ich allein bin. Oder wenn ich mit Ihnen zusammen bin, Marie. Mit Ihnen fühle ich mich fast so gut wie allein. Schade, dass wir nicht zusammen wandern. Aber Ihr Leben ist ja eine einzige Baustelle, und um die müssen Sie sich jetzt kümmern.»
    «Was ist mit ‹Liebeslügen›?»
    «Vergessen Sie’s. Ich schreibe ein ganz anderes Buch. Ein viel besseres. Ich werde Ihnen ab und zu per E-Mail ein paar Seiten schicken. Sie müssen meine Lektorin bleiben, auch wenn Sie sich entscheiden, eine Frittenbude auf den Seychellen zu eröffnen. Kann ich mich auf Sie verlassen, Marie?»
    «Ja. Haben Sie zum Abschied einen guten Rat für mich?»
    «Ja. Schmeißen Sie ‹Hauptsache Liebe?› weg. Hören Sie auf Ihr Herz und auf Ihre tote Tante. Und hören Sie endlich auf, Ihr Haar glatt zu föhnen!»

    Ich betrat das «East» mit einem Selbstbewusstsein, das ich mir selbst nicht zugetraut hätte. Schon gar nicht in Anbetracht des desaströsen Umstandes, dass ich gerade drauf und dran war, meinen Job zu verlieren.
    Theo Bertram hatte in einer sehr dunklen Ecke auf einem Sitzsack Platz genommen. Mir ist kein einziger Mensch bekannt, dem es gelänge, auf einem Sitzsack zu sitzen, ohne dabei einen Gutteil seiner Attraktivität und Menschenwürde zu verlieren. Das war bei Theo Bertram nicht anders. Seine Knie ragten wie eine Skischanze steil in die Höhe, sein gestauchter Hals schob sich wie ein Fleischkragen unter sein Kinn.
    Ich tat ihm und mir den Gefallen und schaute nicht so genau hin. Ich wollte diesen Mann sexy finden. Ich wollte mit diesem Mann schlafen, koste es, was es wolle. Und ich wollte mir mein Abenteuer nicht durch etwas so Lächerliches wie einen Sitzsack verderben lassen.
    Ich trank so schnell wie möglich zwei Champagner: um meinen Mut nicht zu verlieren und um meinen Blick einzutrüben. Mit ein paar gnädigen Promille im Blut sah Theo auf seinem labberigen Sack aus wie Adonis auf einem feurigen Ross.
    Ich blinzelte ihm verwegen zu und fand es auf einmal auch gar nicht mehr so schlimm, dass ich in meinem kurzen Rockund mit zusammengepressten Knien auf dem Nachbarsack hocke wie ein Schulmädchen

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