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Schwerelos

Schwerelos

Titel: Schwerelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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Besser als ich. Wie immer. Miststück!
    Sie ist die, die immer einen Parkplatz findet. Und zwar den direkt vor meiner Nase. Sie bekommt stets das, was mir gerade fehlt. Sie macht mich nervös, weil sie sich meine Träume erfüllt.
    Bis heute weiß ich nicht, ob meine Sehnsucht meine beste Freundin ist oder meine übelste Feindin.
    Die Hochzeiten anderer Leute sind jedenfalls ihr Spezialgebiet. Da taucht sie immer auf und quält mich ein bisschen. Die Sehnsucht nach einem anderen Leben, nach einem anderen Mann oder nach keinem Mann. Sehnsucht nach der großen Liebe oder wenigstens nach einer etwas weniger kleinen. Wie immer in ihrer Anwesenheit kommt mir mein Leben mit einem Mal besonders ungenügend gewürzt vor.
    Bei Hochzeiten habe ich mir eigentlich immer leidgetan. Ich war immer unverheiratet und blickte sehnsüchtig auf das Brautpaar, dessen Sehnsüchte sich gerade erfüllten.
    Heute ist das anders. Mit denen da vorne möchte ich nicht tauschen. Und auch nicht mit den ganzen schmallippigen Damen in den ersten Reihen, die jetzt, wo Ulrike ihrem frisch angetrauten Ehemann anmutig ihre Lippen zum Kuss hinhält, mechanisch die Hand ihres eigenen, längst nicht mehr frisch angetrauten Ehemannes ergreifen und fest zudrücken.Nicht weil sie von Rührung oder zarten Gefühlen übermannt wären. Nee, die wollen sich vergewissern, dass sie nicht ins Leere greifen. Hauptsache, da sitzt einer. Sie wiegen ein wenig den Kopf, lächeln so, als seien sie mit sich im Reinen, und denken: «In ein paar Jahren sind die doch sowieso wieder geschieden. Diese jungen Dinger halten doch nichts mehr aus heutzutage. Mein Mann ist zwar nicht perfekt, und ich könnte ihn dafür umbringen, dass er mit meinen Freundinnen bumst, aber immer noch besser, als allein zu sein.»
    Da fragt man sich ja schon manchmal, was eigentlich noch alles besser ist, als allein zu sein. Warum ist es wichtiger, zu zweit als glücklich zu sein? Warum ist es besser, einen miesen Mann als gar keinen zu haben?
    Das Orgelfinale übertönt sogar Erdals Schluchzen, und ich fühle mich plötzlich schmerzhaft allein. Dabei bin ich doch gar nicht allein. Oder? Ich hatte nie Angst vorm Alleinsein. Bloß vorm Alleinbleiben. Was ist los mit mir?
    Ich greife nach Franks Hand und halte sie fest. Oder halte ich mich fest? Ein bisschen zu fest jedenfalls, unangemessen fest, verzweifelt fest. Hauptsache nicht allein! Ich spüre, dass Frank mich verwundert ansieht. Dann zieht er langsam seine Hand aus meiner und beginnt, sich mit seinem Autoschlüssel die Nagelhäute zurückzuschieben.
    Und das ist das Ende unserer Liebe.
     
    «Bist du dir sicher?»
    «Hundert Prozent.»
    Frank, der sich auf großen Festen immer unwohl fühlt, hatte Leonie um kurz nach zehn nach Hause gefahren. Erdal und ich waren geblieben.
    «Nochmal, Goldi, hast du dir das auch gut überlegt?»
    «Nein. Das Gute daran, wenn man sich sicher ist, ist ja, dass man nicht überlegen muss.»
    «Du wirst dich also von Frank trennen?»
    «Ja.»
    «Dann lass uns anstoßen. Auf die mutigste Frau der Welt!»
    Und nun weine ich doch. In aller Öffentlichkeit. Und es ist mir scheißegal, was die Leute denken. Erdal nimmt mich in seine pummeligen Arme und flüstert mir ins Ohr: «Und weißt du, Schnuppi, was an deiner Trennung besonders erfreulich ist? Ich sage das durchaus auch aus Eigeninteresse: Jetzt könntest du doch endlich ohne schlechtes Gewissen mit Theo Bertram schlafen.»
    «Das habe ich schon.»

    Ich hatte ihm kurz vor meinem Rückflug eine für meine Verhältnisse ungeheuerlich gewagte SMS geschickt: «Komme heute aus Paris zurück. Wiedersehen heute Abend um neun im ‹East›? Würde mich freuen. Marie.»
    Ich kam mir sehr kosmopolitisch und sehr verrucht vor, zwei Eigenschaften, die ich bisher eher nicht mit meiner Person in Verbindung gebracht hätte. Mit einer für mich selbst erstaunlichen erotischen Strategie hatte ich das «East» als Treffpunkt gewählt. Die Bar war auf den ersten Blick harmlos, weil leidlich angesagt, auf den zweiten Blick allerdings auch eine Hotelbar. Sollte ich also gewillt sein, es zum Äußersten kommen zu lassen, würde das lästige Zu-dir-oder-zu-mir? nicht geklärt werden müssen. Eine Frage, die beizwei liierten Personen ja ohnehin meist schwer zu beantworten ist.
    Frank war zwar noch vier Tage in Dubai, dennoch kam ein Treubruch in meinem Bett für mich nicht in Frage. Das ging mir definitiv zu weit. Außerdem hätte ich bis heute Abend keine Zeit mehr gehabt, mein

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