Schwert des Aufruhrs
öffentliche Auftritte und Geschenke ihrer Kollegen zu meiden. Auch empfahl es sich für sie, niemals Kampfsportlehrern, Gefangenen oder lebenslangen Freunden den Rücken zu kehren, und sich ganz besonders vor tot geglaubten Feinden in Acht zu nehmen. Auch Treppen und Straßenecken waren bedrohlich. Und unter gar keinen Umständen sollte sich ein Hausfürst aufs
Schlachtfeld wagen, um seine Armee zum Sieg zu führen.
Und so beäugte der Champion des Prinzen misstrauisch die Menge vor der Bühne und hinter den Seilen, und auch hinter den Sicherheitsleuten, die eine lebende Mauer zwischen ihrem Schützling und der bewundernden Menschenmasse formten.
Während Harrison an den Rand der Bühne trat und die Hände hinter dem Rücken verschränkte.
»Dreißig Tage«, stellte er ohne Einleitung fest, sicher, um die Verspätung aufzuholen. Das leise Murmeln der Gespräche verstummte. »Dreißig Tage der Trauer um einen der Unseren. Und Victor SteinerDavion war einer von uns.«
Tatsächlich erinnerten sich noch Milliarden Menschen an Victor als ihren einstigen Prinzen - und den Mann, der gezwungen gewesen war, mit einer Armee in den Steiner-Davion-Bürgerkrieg zu ziehen, um seine Schwester Katherine vom Thron zu stürzen, den sie an sich gerissen hatte. Julians Großvater, Jackson Davion, hatte in diesem Krieg auf der falschen Seite gefochten, durch seine Ehre an den Dienst der sogenannten Archon-Prinzessin gebunden, bis er Katherines Verbrechen nicht länger hatte ignorieren können.
Die Verbannung war eine zu milde Strafe gewesen.
Die simplen Worte der Ansprache wurden dem Mann nicht gerecht, der nicht nur einmal, sondern gleich zweimal geholfen hatte, die Innere Sphäre zu retten.
»Victor hat den Vereinigten Sonnen im Laufe seines Lebens so viel gegeben«, fuhr Harrison fort. »Untadeligen militärischen Einsatz. Frieden, wenn es möglich war. Recht, wenn es nötig wurde. Wir wollen weder seine Entscheidungen noch sein Leben debattieren. Wir wollen uns einfach an ihn erinnern, so wie es jeder von uns für sich als angemessen empfindet.«
Eine interessante Wortwahl. Mit diesem Text verdienten sich Harrisons Redenschreiber wirklich ihr Gehalt und steuerten den Prinzen durch ein politisches Minenfeld. Ob man sich an Victor als Ersten Prinzen erinnerte, als Befehlshabenden General eines gescheiterten Sternenbunds oder als Veteran des Heiligen Krieges - er hatte die bevorstehende Schweigeminute verdient.
»Victor Steiner-Davion wurde auf dem Planeten Terra aufgebahrt und die Republik der Sphäre wird diese Ehrung bis zu seiner Beisetzung später im Jahr aufrechterhalten. Und auch wenn wir unsere Fahnen heute nach einer einmonatigen Gedenkzeit wieder heben, tun wir dies in dem Wissen, dass es dort draußen Welten gibt, auf denen diese traurige Nachricht noch nicht eingetroffen ist. Wir laden sie ein, sich unserer Trauer anzuschließen, wie ihre Bewohner es für angemessen halten. Hier auf New Avalon bitte ich jetzt um eine Schweigeminute, in der wir alle uns, jeder für sich, von ihm verabschieden.«
Julian sah auf die Uhr. Perfekt. Exakt Mittag. Harrison hatte seine Rede gekürzt und meisterhaft gerade in dem Moment beendet, da die seit dreißig Tagen vorbereitete planetenweite Schweigeminute begann. Für sechzig Sekunden schalteten alle Ampeln auf rot. Auch die Medien hielten die Schweigeminute ein. So vollkommen, wie der Davion-Regierungsapparat es veranlassen konnte, war das Leben auf New Avalon soeben zum Stillstand gekommen.
Ein ganzer Planet hielt den Atem an.
Fast jeder im Rund schaute auf den Boden oder schloss die Augen, die Hände gefaltet oder über der Brust gekreuzt, zumindest dem Anschein nach betend. Aus dem Augenwinkel warf Julian einen Blick auf Sterling McKenna, die mit Händen, die vor der Taille verschränkt waren, und einem toleranten Lächeln auf den Lippen neben ihm stand und mit weit offenen Augen hinauf zum Hi mm el schaute.
Die Clan-Traditionen unterschieden sich erheblich von denen der Inneren Sphäre, und Julian fragte sich, woran sie wohl dachte. An Victors militärische Laufbahn? Das wäre sehr clangemäß gewesen, einer Gesellschaft entsprechend, in der nur der Kodex eines Kriegers, die Aufzeichnung seiner Leistungen, zählte, und der Tod willkommen war, solange der Krieger sich als einer Aufnahme ins Zuchtprogramm würdig erwiesen hatte.
Zumindest respektierte Sterling McKenna die respektvolle Stille, wenn auch wohl nicht im wahren Geist dieser Gelegenheit.
»Danke«, sagte
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