Schwert und Laute
wieder über meinen Hals her.
Trotzdem musste ich daran denken, was Tante Nellie einmal getan hatte. Eines Tages hatte sie den Verdacht gehegt, eine unangenehme Nachbarin hätte sie mit einem Fluch belegt, damit sie krank würde. Sie hatte einen Holunderzweig abgeschnitten und sorgfältig in ihrer Tasche versteckt. Dieser Baum hatte die Eigenschaft, die Seelen von Hexen zu beherbergen. Der oder diejenige, deren Seele sich in dem verletzten Baum versteckte, würde sich unweigerlich eine Schnittwunde an der Hand oder am Arm zuziehen. Ich hatte nie erfahren, ob die Methode wirklich funktioniert hatte, aber es kostete nichts, sie auszuprobieren, und das hatte ich getan.
»Wie hast du dich verletzt?«, fragte ich scheinbar gleichmütig.
Er unterbrach sich kurz und strich dann mit der Zunge an meinem Hals herunter.
»Das war Isaak... Er hat eine Schnur, die ich festhielt, durchgeschnitten, und dabei ist ihm der Dolch aus den Händen gerutscht.«
»Isaak?«
»Ja, wieso?«, fragte er und beschäftigte sich wieder mit meinem Mund. »Glaubst du vielleicht, er hätte das mit Absicht getan? Du würdest deine Meinung ändern, wenn du die Schnittwunde sähest, die er sich selbst bei dieser Gelegenheit beigebracht hat.«
Gänsehaut überlief mich von Kopf bis Fuß. Isaak ein Hexer? Und wenn er hier eingedrungen war und nicht Meghan? Vielleicht befand ich mich vollständig im Irrtum, und er wollte die verlorene Ehre seiner Schwester rächen. In diesem Fall musste ich Liam vor der Gefahr warnen, in der er schwebte. Aber wie sollte ich ihm davon erzählen, ohne ihm zu verraten, dass Meghan schwanger war? Wahrscheinlich war es klüger, zuerst herauszufinden, wie wahrscheinlich es war, dass das Kind von ihm stammte.
»Liam...«
»Hmmm...«
»Meghan... hast du dich lange mit ihr getroffen?«
Er erstarrte in dem Moment, als er mich soeben auf den Mund küssen wollte. Er sah mich an, als überlege er, ob ich meinen Verstand noch beisammen hätte.
»Was?«
»Ich habe gefragt...«
»Ich habe dich sehr gut verstanden, Caitlin«, gab er ärgerlich zurück. »Was soll diese Frage?«
»Es ist eine Frage wie jede andere«, antwortete ich gekränkt.
Er ließ sich auf den Rücken fallen und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Die kühle Nachtluft strich über meine Haut, der er plötzlich seine Wärme entzogen hatte. Er schwieg. Im Mondlicht sah ich nur sein Profil. Seine Miene konnte ich nicht erkennen, doch an seinem Atem hörte ich, dass er angespannt war. Er seufzte gekränkt.
»Ungefähr fünf Monate. Seit Hogmanay ist sie mir ständig nachgelaufen.«
Ich schloss die Augen und biss mir auf die Lippen.
»Und... du hast...«
Er rollte sich auf die Seite und zwang mich, ihn anzusehen. Seine Augen glitzerten im Dunkeln.
»Mit ihr gelegen?«, beendete er meinen Satz barsch.
Ich konnte nicht antworten, sondern nickte nur.
»Was ist los, Caitlin? Warum nimmst du mich derart ins Verhör? Das verstehe ich nicht.«
Es tat mir bereits leid, davon angefangen zu haben. Mit brennenden Wangen drehte ich mich weg und wandte ihm den Rücken zu. Besser, ich beließ es dabei und dachte mir eine andere Möglichkeit aus, ihn zu warnen. Hinter mir hörte ich, wie er schwer, aber beherrscht atmete.
Anscheinend war er fest entschlossen, dort weiterzumachen, wo er aufgehört hatte. Er ließ eine seiner schwieligen Hände unter die Decke gleiten und streichelte mich mit unendlicher Sanftheit; dann küsste er zärtlich die rosafarbene, geschwollene Narbe auf meiner Schulter. Doch die eine Frage führte zur nächsten. Unzählige davon stiegen jetzt in mir auf und verlangten gebieterisch nach einer Antwort.
»Liam«, begann ich widerstrebend, »was hast du für sie empfunden?«
»Warum willst du das wissen, aghràidh mo chridhe?«, murmelte er und ließ seine Hand an meinem Bauch hinaufwandern.
»Ich will es wissen, und ich muss es wissen«, antwortete ich mit rauer Stimme. »Wenn ich nicht in dein Leben getreten wäre, dann läge sie wahrscheinlich jetzt hier in deinem Bett, heute Nacht. Antworte mir.«
Er drehte mich auf den Rücken und betrachtete mich forschend, mit undeutbarem Gesichtsausdruck, als wolle er den Schatten einer flüchtigen Leidenschaft wiederfinden, und ließ sich dann stöhnend auf den Rücken fallen und verbarg das Gesicht in den Händen.
»Caitlin, um Himmels willen! Warum sollen wir unbedingt die Vergangenheit aufrühren?«
»Ich darf dich vielleicht daran erinnern, dass diese Vergangenheit nicht so lange zurück
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