Schwert und Laute
nicht rührte.
»Endlich! Ihr habt Euch Zeit gelassen, Macdonald! Ich begann schon zu glauben, Ihr wäret ihrer bereits überdrüssig.«
Ich war vollständig gelähmt. Vergeblich versuchte ich, Liams Blick aufzufangen, doch er wich mir aus und ließ nur den Dolch nicht aus den Augen.
»Liam...«
»Bi sàmhach, Caitlin! Schweig still«, brüllte er, an mich gerichtet.
Sein Blick glitt über mein zerrissenes Nachthemd, das nicht mehr viel von meinem Körper verbarg. Eine Wut, die ich an ihm nicht kannte, verzerrte seine Züge, die bereits vom Schlafmangel ausgehöhlt waren. Seine blutbefleckten Kleider und seine zerzausten Haare, die struppig auf seine Schultern fielen, verliehen ihm das brutale Aussehen eines wilden Mannes des Nordens, gnadenlos und blutrünstig.
»Lasst sie los, Hurensohn. Wenn ich es bin, den Ihr haben wollt, dann gehöre ich Euch, aber gebt sie vorher frei«, befahl Liam ruhig, aber hart.
Von neuem trat er einen Schritt auf uns zu, und die kalte Spitze des Dolchs drückte sich ein wenig tiefer in meine Haut.
»Falbh! Falbh! Tha na còtaichean scàrlaid ann! ›S e painntrich a th‹ ann!« , schrie ich. Du musst fliehen! Die Rotröcke sind hier, das ist eine Falle!
Liam wandte mir einen verblüfften Blick zu.
»Cò mheud saighdear?«, fragte er dann leise. Wie viele Soldaten?
»A seachd«, antwortete ich knapp. Sieben.
Müde und ohnmächtig sah er mich an. Sein Finger zitterte am Abzug der Pistole, die er immer noch auf den Kopf meines Angreifers gerichtet hielt, aber er drückte nicht ab. Die Gefahr, mich zu treffen, war zu groß. Hinter mir wurde Winston immer unruhiger. Unser auf Gälisch geführter Dialog musste ihn nervös gemacht haben.
»Falbh, a Liam... Crochaidh iad coltach ri cù thu!«, flehte ich ihn mit erstickter Stimme und feuchten Augen an. Flieh, Liam... Sie werden dich hängen wie einen Hund!
Das Stampfen von Soldatenstiefeln, das durch das steinerne Treppenhaus hallte, drang zu uns wie ein unabwendbares Todesurteil. Es war zu spät. Schweißperlen liefen an Liams Schläfen hinunter,
und seine Züge verzerrten sich. Er stieß einen Schrei der Wut und Verzweiflung aus, der mir das Herz zerriss und Winston zusammenfahren ließ.
Captain Turner richtete den blank polierten Gewehrlauf auf Liams Nacken. Er ergab sich und senkte die Arme. Die Soldaten nahmen ihm seine Waffen ab und schlossen ihn in Eisen, ohne dass er Widerstand leistete. Winston lockerte seinen Griff und steckte den Dolch in den Gürtel.
»So ist es klüger, Macdonald. Ich hätte es gar nicht geschätzt, Euer Blut von meinem Parkett aufwischen zu müssen, und erst recht nicht das der schönen Caitlin«, höhnte er.
Dann wandte er sich an Captain Turner, der mir grausam zulächelte.
»Er gehört Euch.«
Liam sah mich mit völlig ausdruckslosem Blick an.
»Carson?«, fragte er betrübt. Warum?
»Air son a tha gaol agam ort, mo rùin«, flüsterte ich. »Math mi mo rùin... « Weil ich dich liebe, mein Geliebter. Vergib mir.
Er nickte und wandte sich ab. Ich wurde von einem Strudel von Gefühlen davongerissen und war unfähig, mich an eines davon zu klammern. Wie ein Schiff, das sich von seinem Anker losgerissen hat, trieb ich auf einem tobenden Meer. Unter einem Klirren von Ketten, das mir durch Mark und Bein ging, stießen die Soldaten Liam aus dem Zimmer.
»Neiiin!«, schrie ich verzweifelt.
Ein letztes Mal versuchte ich mich loszumachen, um ihm nachzulaufen, aber Winston hielt mich zurück und grub mir schmerzhaft die Finger in den Arm. Ich schlug um mich wie eine Wahnsinnige, kreischte und kratzte wie entfesselt. Schließlich löste er seine Umklammerung und stieß mich grob gegen die Wand. Er versetzte mir eine schallende Ohrfeige, so dass ich mich um meine Achse drehte. Mein Kopf knallte heftig gegen den Türrahmen, und ich sah, wie die weiße Wand sich plötzlich verdüsterte. Ich hörte Schreie, Liam, der nach mir rief, und die Soldaten, die ihn niederbrüllten. Die Wand hörte nicht mehr auf, sich zu drehen. Ich wehrte mich gegen die Ohnmacht, doch vergeblich. Leise röchelnd sank ich zusammen, und dann wurde mir schwarz vor Augen.
15
Der Preis für ein Leben
Schatten tanzten vor meinen Lidern. Die letzten Brandungswellen meiner Verzweiflung hatten sich endlich zurückgezogen, und ich kam langsam wieder zu mir. Geräusche – Stimmen? – versuchten, sich einen Weg in mein Hirn zu bahnen. Apathisch schlug ich die Augen auf. Langsam erwachte mein Körper wieder zum Leben. Ich klammerte
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