Schwert und Laute
lustig!«
Er hielt mir die Hand entgegen, um mir beim Aufstehen zu helfen. Ich sah ihn einen Moment an, und mir kam die Idee, ihn seine eigene Medizin schmecken zu lassen.
»Ich bitte Euch um Verzeihung, Caitlin. Das wollte ich nicht... wirklich.«
Ich nahm die ausgestreckte Hand und zog heftig. Liam kippte vornüber und landete auf allen vieren im Bach – und auf mir.
»Verzeihung«, versetzte ich trocken und mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen.
Jetzt grinste er nicht mehr. Auf seinem Gesicht, das sich nur eine Handbreit über meinem befand, malte sich Verblüffung. Seine herrlichen, dunkelblauen Augen stürzten mich in Verwirrung. Jetzt entdeckte ich ihre ganze Tiefe. Ich erblickte ein flüchtiges Aufblitzen von Begehren und den Schatten der Trauer. Dann riss er eilig den Blick los und schlug die Augen nieder. Ich überraschte ihn dabei, wie er in mein Mieder schaute, das mir an der Haut klebte. Ganz entschieden, alle Männer hatten diese Manie... Verlegen wandte er den Blick ab.
»Gut gekontert«, meinte er. »Ihr seid eine ziemlich erstaunliche Frau, Caitlin Dunn.«
»Dasselbe könnte ich von Euch sagen, Liam... Macdonald. Das ist doch Euer Name, stimmt’s?«
»Ja. Ihr habt ein gutes Gedächtnis.«
Dieser Mann war wirklich ein Rätsel. Manchmal strahlte er eine Kälte aus, die mich erschauern ließ und mir zu bedeuten schien, dass es ihm am liebsten gewesen wäre, wenn ich mich in Luft auflösen würde. Dann wieder schien es in ihm geradezu zu brodeln, und eine unaussprechliche Unruhe bemächtigte sich seiner, wenn er mich ansah... so wie in diesem Moment.
»Ihr seid ein ziemlich rätselhafter Mann, Mr. Macdonald.«
»Rätselhaft? Interessant. Mit diesem Ausdruck hat man mich noch nie bezeichnet.«
»Und was hat man bis heute von Euch gesagt?«
Langsam erhob er sich und half mir zugleich sehr, sehr vorsichtig beim Aufstehen. Sein tropfnasser Kilt klebte an seinen halbnackten Beinen. Was mich anging, so fühlte ich mich wie ein vollgesogener Schwamm und so schwer wie eine dicke Kuh.
»Ich habe schon oft Ausdrücke wie ›Wilder‹, ›Egoist‹ oder ›besitzergreifend‹ gehört. Gelegentlich auch ›charmant‹ ...«, setzte er mit einem Lächeln hinzu, »aber noch nie rätselhaft.«
Immer noch hielt er meine Hand umfasst.
»Vielleicht hat Euch ja noch niemand als Ganzes gesehen. Die Summe Eurer Fehler und Vorzüge... Ich jedenfalls hatte noch keine Zeit, Euch mit so vielen Worten zu beschreiben.«
Er lächelte.
»Werdet Ihr Euch die Zeit nehmen?«
Ich zögerte. Was wollte er damit sagen?
»Vielleicht ...«, fuhr er fort.
Er richtete den Blick auf meine tropfnasse Kleidung und sprach nicht weiter.
»Wir sollten Euch ein paar Kleidungsstücke zum Wechseln besorgen.«
»Ihr hättet unter Euren Waren nicht zufällig ein Kleid oder so etwas?«
Er schüttelte den Kopf, schien dann plötzlich zu merken, dass er immer noch meine Hand hielt, und ließ sie abrupt los.
»Nur ein wenig Tand, Bänder. Das ist alles.«
Ich presste die Lippen zusammen und fand mich damit ab, in meinem durchnässten Zustand zu reisen. Leise vor mich hinschimpfend schlug ich den Weg ein.
»Caitlin?«
»Was?«, knurrte ich grob und drehte mich zu ihm um.
»Wohin wollt Ihr?«
»Wohin...? Ach so! Zur Westküste, an einen Ort, wo sich ein Seehafen befindet. Liegt das auf Eurem Weg? Ich hoffe, denn wenn nicht, täte es mir leid, wenn Ihr einen Umweg machen müsstet.«
»Ein kleiner Umweg ist das schon, aber ich hatte es Euch versprochen. Ich werde meine Männer mit der Ware in den Norden schicken und Euch nach Glasgow begleiten. Wäre Euch das recht?«
»Glasgow? Fahren von dort aus Schiffe nach Irland?«
»Schiffe? Natürlich.«
Ich hob meinen Rocksaum und wrang ihn fluchend aus. Unter diesen Umständen würde der Ritt wohl nicht besonders angenehm werden.
Genauso kam es. Die Sonne, die so strahlend geschienen hatte, als ich aufgewacht war, versteckte sich und kam erst gegen Abend wieder hinter den Wolken hervor. Mein Kleid brauchte fast vier Stunden, um einigermaßen zu trocknen. Unter den Achseln und um den Halsausschnitt war meine Haut wundgescheuert. Meine Röcke klebten mir an den Schenkeln und behinderten mich in meinen Bewegungen.
Geblendet von der untergehenden Sonne blinzelte ich. Wir waren im Schutz der Bäume an einem kleinen Fluss entlanggeritten, bis wir den Loch Lomond erreichten, wo sich eine atemberaubende Landschaft vor uns auftat. Den Süden beherrschte das gewaltige Massiv des
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