Schwert und Laute
über seine Stiefel. Liam hatte sich keinen Fußbreit bewegt und starrte mich mit vor Verblüffung weit aufgerissenem Mund an. Der Captain war jetzt sehr aufgebracht und wischte hektisch mit einem Taschentuch auf seinem Rock herum.
»MacBain!«, schrie er, ohne mich aus den Augen zu lassen.
»Ja, Sir.«
»Was habt Ihr in der Kiste gefunden?«
»Nichts als Bücher, allerlei Tand und andere unwichtige Dinge, Sir.«
»Nun gut...«
Der Captain musterte mich angeekelt und trat einen Schritt zurück.
»Ich glaube, wir können die Leute passieren lassen. Sie führen nur Zigeunerramsch mit sich.«
»Ja, Sir.«
Das Taschentuch segelte vor meinen Augen vorbei und landete vor meiner Nase im Schlamm. Ich hob es auf und hielt es dem Captain hin.
»Euer Taschentuch, Sir.«
Entsetzten Blickes schüttelte er den Kopf und stieß es mit einem angewiderten Ausruf weg.
»Nein, behaltet es; ich... schenke es Euch.«
Mit diesen Worten fuhr er herum und kehrte zum Rest seiner Abteilung zurück, die in einigen Metern Entfernung von uns wartete. Ich lächelte in das Stofftuch hinein, das gut nach Veilchenwasser roch. Zu meinem großen Erstaunen war alles viel einfacher gewesen, als ich zuvor geglaubt hatte.
Eine eiserne Faust zog mich hoch. Colin, der vor Wut rot angelaufen war, nahm meine Hand und untersuchte sie. Niemand sprach ein Wort.
»Gottverdammtes ... Ja, seid Ihr denn von Sinnen?«
Heftig riss ich meine verletzte Hand zurück und band sie in das Taschentuch. Um mich herum erhob sich Gemurmel.
»Wenn Ihr es sagt, dann muss ich es wohl sein«, antwortete ich und sah ihm gerade in die Augen. »Aber die Garde ist fort, wir sind noch am Leben, und Ihr befindet Euch noch im Besitz Eurer elenden Waffenladung.«
Ich gab ihm seinen Dolch, drehte mich auf dem Absatz um und stapfte zu meinem Pferd, das gelassen am Wegrand weidete. Was für Dummköpfe! Eine Hand legte sich auf meine Schulter und hielt mich auf. Empört über den Undank dieser Rüpel fuhr ich herum.
»Und wenn Ihr glaubt, dass...«
Liam sah mich an. Die Farbe seines Gesichts unterschied sich nicht von der seines schmutzigen weißen Hemds. Eine ungeheure Wut ergriff mich, und ich reckte das Kinn. Verbissen machte ich mich los.
»Verstoßt ... nie... wieder... gegen... meine... Befehle. Nie wieder!«
Er hatte seine Worte in einem rauen Flüstern hervorgestoßen und drohend auseinandergezogen. Die Kälte in seiner Stimme verletzte mich tiefer, als ich erwartet hätte. Sein düsterer Blick traf mich wie ein Peitschenschlag. Mein Zorn wuchs noch. Ich straffte die Schultern und bot ihm die Stirn, entschlossen, mich nicht beeindrucken zu lassen. Am liebsten hätte ich ihn geohrfeigt, doch ich hielt mich zurück und entschied mich, lieber Worte einzusetzen, von denen ich wusste, dass sie ebenfalls verletzen konnten, wenn nicht sogar stärker. Colin warf ich einen bösen Blick zu, um ihm zu bedeuten, dass mein Zorn auch ihm galt.
»Seid versichert«, versetzte ich grollend, »dass dazu keine Gelegenheit mehr sein wird, Gentlemen. Ihr werdet mich zum nächstgelegenen Seehafen führen, denn ich kann es kaum erwarten, nach Hause zurückzukehren. Ich bin schon viel zu lange in diesem unglückseligen Land.«
Bevor ich mich in den Sattel schwang, hatte ich noch Zeit zu bemerken, dass Liams Kiefer mahlte. Die Männer wagten sich nicht zu rühren. Plötzlich fragte ich mich, ob sie überhaupt noch atmeten. Alle Blicke waren jetzt auf mich gerichtet. Ich wischte mir eine letzte Blutspur vom Kinn und sah sie von oben herab an.
»Ihr seid doch eine Bande von... Oh Gott! Geht doch alle zur Hölle!«
Kurz davor, in Tränen auszubrechen, wandte ich mich ab und gab Bonnie die Sporen.
Die Nacht war vor über einer Stunde hereingebrochen. Ich hatte mich unter eine einzeln stehende Kiefer geflüchtet und stocherte mit einem Reisig nach einer Spinne, die in ihrem Netz saß. Nach der schlechten Aufnahme meines Theaterauftritts hatte ich es vermieden, das Wort an Liam oder Colin zu richten, und war sogar ihren Blicken ausgewichen. Ich fühlte mich zutiefst gedemütigt und verletzt. Konnten sie nicht wenigstens anerkennen, dass ich wahrscheinlich ihre elende Haut gerettet hatte? Gewiss, meine größte Sorge war mein eigenes Leben gewesen, aber trotzdem! Was waren das für undankbare Rüpel!
Ich kratzte mich unter meiner erhitzten Achsel und zupfte an meinem Mieder, das auf der Haut rieb. Die Verbrennung an meiner Schulter schmerzte heftig. Ich schnürte das Mieder auf und
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