Schwert und Laute
es meine Schuld, dass ich Colin nicht energisch genug zurückgewiesen habe, aber ich kann dir versichern, dass ich nichts getan habe, um Liam zu verführen. Die meiste Zeit hat er sich mir gegenüber kalt und distanziert verhalten. Es war klar, dass ihn meine Anwesenheit hier störte. Es tut mir aufrichtig leid, dass ich der Grund für einen solchen Aufruhr bin, und das ganz ohne meine Absicht. Aber ich kann dir versichern, dass das Problem binnen kurzem gelöst sein wird.«
Sàra setzte sich mir gegenüber auf einen Stuhl und trommelte mit den Fingern nervös auf ihren Knien herum. Ihre Miene war ein wenig weicher geworden, aber dennoch sprach sie in ernstem Tonfall.
»Ich mag dich gern, Caitlin«, begann sie. »Ich hoffe, dass du ehrlich bist, denn du bist dabei, alles, was mir von meiner Familie geblieben ist, zu zerstören. Ich verlange Wiedergutmachung.«
Sie erhob sich, tat einige Schritte zur Tür hin und wandte sich dann noch einmal zu mir um.
»Fast hätte ich es vergessen«, sagte sie und zog einen Dolch aus der Tasche. »Liam hat mir das hier für dich hinterlassen. Wie du weißt, treiben sich hier in der Gegend Campbells herum.«
Sie warf die Waffe auf den Tisch, wo sie mit lautem, metallischem Klirren landete.
»Ich habe gehört, du kannst damit umgehen«, setzte sie hinzu.
Ihre letzten Worte, die ebenso scharf gewesen waren wie die Klinge des Dolchs, trafen mich mitten ins Herz.
Sie polterte nach draußen und ließ mich mit meiner Verwirrung allein. Ich fühlte mich wie von einer gewaltigen Last niedergedrückt. Das ging alles zu schnell; ich brauchte einen Ort, an dem ich nachdenken konnte... Ich nahm mein Umschlagtuch und wandte mich zum Gehen. Als ich an dem Dolch vorbeiging, betrachtete ich ihn angewidert und nahm ihn zur Hand. Woher hatte Sàra das gewusst? Zorn stieg in mir auf. Liam hatte ihr alles
erzählt. Er hatte mich angelogen. Wer mochte wohl sonst noch im Bilde sein?
Ich war bestürzt. Die Waffe war kalt und schwer. Die Patina des Alters hatte die Inschrift, die in das elfenbeinerne Heft eingraviert war, beinahe ausgelöscht: Gott schütze dich. Die Klinge war schmal, beinahe stilettartig, aber scharf wie ein Rasiermesser. Diese Waffe war zart, aber tödlich... Ich wickelte sie in mein Taschentuch, steckte sie in meinen Gürtel und ging hinaus.
Es war Zeit, einmal wieder mit Bonnie auszureiten. Ich sattelte sie und machte mich langsam auf den Weg zum Loch Achtriochtan, dem einzigen mir bekannten Platz im Tal, wo ich mich in aller Ruhe zurückziehen konnte. Es wäre mir allerdings auch schwer gefallen, mich zu verirren, wenn ich dem Coe-Fluss folgte... Das Tal war ziemlich schmal, und die Berge, die es säumten, steil. Undenkbar, dass ich einen davon erklomm. Ich fand den kleinen Kiefernwald wieder, in dem wir gestern gerastet hatten, Liam und ich. Ich glitt von meiner Stute und band sie an einem Baum fest.
»Ah, diese verfluchte Wunde!«, schimpfte ich laut.
Was wäre wohl geschehen, wenn ich nicht verletzt worden wäre? Dann wäre ich sicherlich schon unterwegs nach Belfast. Und wenn ich zu meinem Vater zurückgegangen wäre? Die Justiz der Krone hätte nicht lange gebraucht, um mich aufzustöbern. Man hätte mich in eine düstere, stinkende Zelle in dem schauerlichen Tolbooth-Gefängnis von Edinburgh gesteckt, um darauf zu warten, dass auf dem Marktplatz das Schafott errichtet wurde, und dann hätte man mich unter einer Flut von Beschimpfungen, die mir das Publikum ins Gesicht gespuckt hätte, kurzerhand aufgeknüpft. Vielleicht hätte ich in der jaulenden Menge das betrübte, beschämte Gesicht meines Vaters erblickt. Nein, das war wirklich der letzte Ort, an den ich gehen konnte. Doch ebenso klar war, dass ich nicht hier bleiben durfte.
Mein Magen zog sich zusammen. Ich würde Liam verlassen müssen. Wie war es möglich, sich in so kurzer Zeit zu verlieben? Das konnte keine Liebe sein. Tante Nellie hatte mir gesagt, eine Frau lerne ihren Mann mit der Zeit schätzen. »Die Liebe ist die Frucht der Ehe«, hatte sie mir erklärt. Aber was war dieses Gefühl dann?
Ich wusste fast nichts über diesen Mann. Er war von schweigsamem Naturell, neigte wenig zu Überschwang und Fantasie, und doch war er zutiefst anziehend. Wenn er mich nur streifte, begann mein Herz zu rasen, und wenn der Blick seiner tiefblauen Augen in mich drang, verlor ich jede Fassung. Wenn er mich gebeten hätte, ihm bis in die Hölle zu folgen, ich hätte es getan.
Doch leider war alles nicht so einfach...
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