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Schwert und Laute

Schwert und Laute

Titel: Schwert und Laute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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rührte in ihrem Teller. Ihre fein geschnittenen Brauen runzelten sich leicht, als sie die grauen Augen zu mir aufschlug. Ich streckte den Arm aus, nahm die Brotschnitte und biss hinein.
    »Seit seiner Rückkehr aus Arbroath hat Liam sich verändert«, erklärte sie. »Er wirkt zurückgezogener, sorgenvoller.«
    Über ihren Becher mit Bier hinweg betrachtete sie den Brotlaib, ohne ihn wirklich zu sehen.
    »Seit Annas Tod hat es keine Frauen in seinem Leben gegeben. In seinem Bett vielleicht. Aber die...«, meinte sie achselzuckend, »aber darüber reden wir hier nicht. Der Tod seiner Frau und seines Sohnes hat ihn niedergeschmettert. Seitdem hat er sich in eine eigene Welt zurückgezogen, und keiner Frau ist es gelungen, entweder dort einzudringen oder ihn daraus hervorzulocken, bis... nun ja. Seit du hier bist, lacht Liam wieder. Dir kommt das vielleicht banal vor, mir jedoch nicht. Wenn es einer Frau gelingt, meinem Bruder auch nur das kleinste Stückchen Glück zu schenken, dann will ich, dass sie ein Teil seines Lebens ist. Du bist nicht dazu gezwungen, verstehst du, aber wie ich Liam kenne... bezweifle ich, dass er dich jemals wieder gehen lässt. Du hast etwas in ihm angerührt, und das treibt ihn um. Deswegen ist er fortgegangen. Er muss über sein Leben nachdenken. Caitlin... Du musst mir glauben, Liam hat sich in dich verliebt. Aber Colin... leider ebenfalls.«
    Ihre Miene war ernst. Sie spießte ein Stück Hammelfleisch auf und steckte es sich in den Mund. Ich war völlig verunsichert. Sie stieß mich buchstäblich ins Bett ihres Bruders. Zu seinem Glück.
Doch was war mit meinem Glück? Und dem Colins? Außerdem gab es da noch andere Hindernisse. Meghan... Zudem war ich eine Gesetzlose, die wegen Mordes gesucht wurde; auch kein geringes Problem.
    Konnte ich auf seine Rückkehr warten? Wollte ich das wirklich? Ich war verletzt. Dank der Pflege, die man mir angedeihen ließ, erholte sich mein Körper rasch. Doch meiner Seele erging es ganz anders. Ich war geschlagen und vergewaltigt worden, und das war noch das Geringste meiner Leiden. Um von jenen Wunden zu genesen, brauchte ich Zeit. Ich hatte geahnt, was Liam von mir wollte, aber vielleicht war es nicht mehr als das, was ein Mann gelegentlich eben von einer Frau begehrt. Eine rein körperliche Anziehung ohne Folgen. Eine flüchtige Umarmung unter Laken, die nur allzu rasch wieder abkühlten.
    Ich wollte nicht wieder verletzt werden. Das hatte ich schon oft genug erlebt. Und wenn ich mich ebenfalls irrte? Wenn ich diesen Mann nicht wirklich liebte, sondern ihm nur eine Art fleischlicher Besessenheit entgegenbrachte, hervorgerufen durch die körperliche Nähe, die wir einige Tage lang geteilt hatten? Wenn ich mich nur durch den einfachen Grund von ihm angezogen fühlte, weil er mich aus einer üblen Lage errettet hatte?... Eine selbst ersonnene Fantasie, ein wenig, als wäre er einer dieser keltischen Helden, aus dem Nichts vor mir aufgetaucht, um mich aus den Klauen eines schrecklichen Drachens zu reißen. Ein Gott eben.
    Sàra kaute mühsam, während ich nervös meine Brotscheibe zerkrümelte.
    »Ich muss wissen, welche Gefühle du meinem Bruder gegenüber hegst. Liam, meine ich...«
    Vor mir sammelte sich ein Häufchen Brotkrumen an.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete ich zögernd. »Ja, er wirkt sehr einnehmend auf mich, aber warum? Ich könnte es dir nicht genau erklären.«
    »Und sonst? Alle Frauen fühlen sich zu ihm hingezogen, das kann ich dir versichern!«, rief sie aus.
    »Das Ganze ist verzwickter, als du denkst, Sàra«, gab ich empört zurück und hob ruckartig den Kopf. »Ich kann dir keine Antwort
auf diese Frage geben, weil ich sie einfach selbst nicht kenne, obwohl ich sie mir selbst schon gestellt habe. Kann man so rasch lieben? Stell dir vor, ich habe mir diese Frage auch schon gestellt. Wenn ich seine Stimme höre, schlägt mein Herz höher. In seinen Augen... könnte ich ertrinken. Und... oh, Sàra! Ist das Liebe? Sag es mir, denn ich weiß es nicht...«
    Sichtlich erleichtert lächelte Sära mir zu. Ich dagegen war schrecklich aufgewühlt und brachte kein Wort mehr heraus.
    »Beende deine Mahlzeit«, sagte sie einfach.

    Drei Tage waren seit Liams Aufbruch vergangen, drei Tage, in denen wir geschrubbt, gekocht und die Küchengärten auf die warme Jahreszeit vorbereitet hatten. Die häuslichen Pflichten beschäftigten meinen Geist, der drohte, in einer bitteren Melancholie zu versinken.
    Sàra hatte ihre gute Laune wieder gefunden.

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