Schwert und Laute
Seine kalten Blicke, die ich törichterweise als Zorn auf mich gedeutet hatte, waren in Wirklichkeit Ausdruck seiner Eifersucht auf seinen Bruder gewesen. Und dieses Gefühl hatte ich unwissentlich genährt, indem ich Colin nicht streng genug abgewiesen hatte. Und jetzt steckte ich mitten in einem Familienstreit. Hatte ich das bewusst riskiert? Ich wusste, ich hätte Colins Schwärmerei für mich nicht gestatten dürfen. Doch er hatte diesen Wunsch nach Glück in mir erweckt, den ich seit jener furchtbaren Januarnacht tief in mir vergraben hatte. Und dann hatte Liam sich seinerseits erklärt. Allerdings steckte er in einer Zwickmühle, da immer noch diese verfluchte Meghan da war. So langsam nahm die Situation die Züge eines billigen Schwanks an, und ich hatte einen Familienzwist ausgelöst. Wie konnte ich Colin jetzt noch ins Gesicht sehen?
Sàra sagte die Wahrheit. Ich musste das Unrecht, das ich getan hatte, wiedergutmachen, und die einzige Möglichkeit dazu war, mir ein Schiff zu suchen, das mich nach Irland brachte. Ich betete, dass es so weit sein würde, ehe Liam zurückkehrte, bevor meine Gefühle für ihn noch tiefer wurden. Wie sollte ich sonst die Kraft zum Fortgehen finden?
Mit geschlossenen Augen sog ich den tröstlichen Kiefernduft ein, der mich umschwebte. Ich zog die Schuhe aus, streckte die Zehen aus und grub sie in die Nadeln, die mich in die Fußsohlen stachen. Wirst du denn niemals glücklich werden, Caitlin?, fragte ich mich. Sobald ein kleines Stückchen Glück meinen Weg kreuzte, trug der Wind des Unglücks es schon davon und nahm es fort. Stets wurde es mir aus den Händen gerissen, bevor ich die geringste Aussicht hatte, es zu genießen. Kaum vermochte ich es mit den Fingerspitzen zu streifen. Warum verweigerte das Schicksal mir mein Recht, zu lieben und geliebt zu werden? Mein Herz schrie mit aller Kraft sein Bedürfnis nach Frieden und nach Liebe heraus.
Die Sonne stand im Zenit, und mein Magen, dem mein Gemütszustand gleichgültig war, knurrte hungrig. Bonnie wartete geduldig im Schatten eines Baums, auf der Suche nach ein paar Reisigen zum Knabbern. Ich war so eilig geflüchtet, dass ich vergessen hatte, etwas zum Essen mitzunehmen, und die letzten Spuren des Alkohols waren verflogen. Zeit, zurück zur Hütte zu gehen...
Sàra leerte mit einem großen, angeschlagenen Hornlöffel das Butterfass. Sie begrüßte mich knapp, erklärte mir, dass ein Hammeleintopf auf dem Herd stehe, und wandte sich dann wieder ihrer Arbeit zu, ohne mich weiter zu beachten.
Ich zögerte. Was sollte ich sagen? Ein paar oberflächliche Worte der Entschuldigung würden nichts an der Lage ändern, sondern höchstens mein eigenes schlechtes Gewissen ein wenig lindern. Ohne ein Wort trat ich in die Kate, streckte mich auf dem Bett aus und suchte Trost in dem Moschusduft der Laken, als wären es Liams Arme. Ich sehnte mich so sehr danach, mich von ihm wärmen und von seinen sanften Worten trösten zu lassen.
Sàra war kurz nach mir mit einer Schale ganz frischer Butter eingetreten. Scheppernd stellte sie sie auf dem Tisch ab und riss mich damit aus meinen trüben Gedanken. Sie warf mir einen kurzen Blick zu und stellte dann zwei Teller Eintopf auf den Tisch.
»Komm zum Essen, Caitlin, du hast seit heute Morgen nichts zu dir genommen.«
Ihre bekümmerte Miene sagte alles über ihre Stimmung. Sie hatte mir noch lange nicht verziehen. Sie zog einen Stuhl heran und bedeutete mir, mich darauf zu setzen.
»Fang schon an, es wird kalt.«
Ich gehorchte und aß den Eintopf schweigend, ohne ihn wirklich zu schmecken. Sie nahm einen Laib Brot und schnitt eine Scheibe ab.
»Wir müssen offen reden«, erklärte sie ohne Umschweife.
Sie butterte eine Scheibe Brot und legte sie vor mich hin, bevor sie sich selbst eine abschnitt.
»Was geschehen ist, das ist nicht deine Schuld, jedenfalls nicht
vollständig. Als ich sah, dass meine Brüder sich stritten, bin ich in Panik geraten. Das tun sie sonst nie...«
»Das tut mir sehr leid, aber bald wird wieder alles in Ordnung kommen. Ich werde mich so bald wie möglich einschiffen.«
Sie riss die Augen auf, und ihr Kopf schoss hoch.
»Nein, du darfst nicht abreisen! Liam hat uns, Colin und mir, das Versprechen abgenommen, bis zu seiner Rückkehr auf dich Acht zu geben. Du kannst nicht fortgehen...«
»Du weißt genau, dass ich nicht hier bleiben kann, Sàra«, hielt ich ihr entgegen. »Ich möchte nicht der Grund für ein Zerwürfnis zwischen Liam und Colin sein.«
Sie
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