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Schwerter der Liebe

Titel: Schwerter der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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der Kerze, die sie zu ihrem Gebet aufgestellt hatte.
    Vor dem Gotteshaus blieb Juliette stehen und zog die Handschuhe aus dem Ärmel, wohin sie sie gesteckt hatte, als sie nach einer Münze für ihre Kerze suchte. Fast hätte sie sie nun vergessen. Oh, wie entsetzt ihre Mutter und Paulette reagieren würden, sollte man sie auf der Straße mit bloßen Händen sehen. Bis vor zwei Wochen waren solche Dinge bedeutungslos gewesen. Im Kloster war es wichtiger, dass man mit seinen Händen zupacken konnte und wollte. Ob sie makellos gepflegt waren, zählte dort nicht. Ein ironisches Lächeln umspielte Juliettes Mundwinkel, dann aber seufzte sie leise und begann, die lavendelfarbenen Glacehandschuhe überzustreifen, die sie sich von ihrer Schwester geborgt hatte.
    Es versprach ein schöner Tag zu werden. Bereits jetzt drangen die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne durch den Nebel über dem Fluss jenseits des Deichs, und die Luft war mild und fast schon warm. Die Dampfpfeife eines ablegenden Postschiffs ertönte und ließ im nahe gelegenen Geschäft des Vogelhändlers die Affen schreien und die Papageien lautstark kreischen. Eine leichte Brise trug von den Docks den Geruch von Schlamm, Fisch, gärenden Melassen und überreifen Bananen zu ihr herüber. Darunter mischte sich der Gestank von Abfällen aus dem Rinnstein, der mitten durch die Gasse zwischen der Kirche und dem Pfarrhaus verlief. Doch da war auch der Duft von geröstetem Kaffee wahrzunehmen. Der kam vom Markt, auf dem die Händler gerade ihre Stände aufbauten, um für die frühmorgendliche Kundschaft bereit zu sein, wenn die mit einem Korb im Arm nach frischem Brot, Brioche und Croissants Ausschau hielt. Bei diesem Gedanken knurrte Juliettes Magen leise, und sie wünschte, sie könnte etwas von den Dingen kaufen, die sie von der nahe gelegenen Bäckerei mit ihrem Duft lockten. Aber das ging nicht, da sie dadurch ihren heimlichen Ausflug verraten hätte.
    In diesem Augenblick zerriss hinter ihr ein gellender, verzweifelter Aufschrei die Morgenruhe. Er stammte von keinem Papagei oder Affen, sondern von einem Kind.
    Juliette drehte sich so schnell um, wie es ihre schweren Röcke zuließen. Gerade noch konnte sie sehen, wie ein Junge hinter der Kirche um die Ecke gerannt kam. Er mochte kaum älter als drei Jahre sein, war von schmaler Statur, hatte einen schwarzen Lockenkopf und ebenso schwarze Augen, die vor Entsetzen weit aufgerissen waren. Er ruderte mit den Armen und rannte, was seine kurzen Beine hergaben. Sein Mund stand offen, und er schrie noch immer.
    Schwere Schritte waren nun auf dem Pflaster zu hören, und dann kam ein Mann in Sicht, der den Jungen verfolgte. Er war groß und breitschultrig, und mit seinen langen Beinen machte er so große Schritte, dass er das Kind bald einholen musste. Auf seinem Gesicht lag eine finstere Entschlossenheit, als er seine Beute erreichte und einen Arm ausstreckte, um das zerlumpte, flatternde Hemd des Jungen zu fassen zu bekommen.
    Der Kleine wich zur Seite aus und entkam der Hand des Mannes um Haaresbreite. Er rannte nun geradewegs auf Juliette zu, änderte nur ein wenig seine Richtung und klammerte sich an ihren Röcken fest, als er auf gleicher Höhe mit ihr war. Durch seinen Schwung machte sie ungewollt eine halbe Drehung, während er hinter ihrem ausladenden Reifrock Schutz suchte.
    Der Gentleman kam kurz vor ihr zum Stehen, dann griff er auf der linken Seite um Juliette herum, als sie sich zu ihm umdrehte. Der Junge wich zur anderen Seite aus und riss Juliette erneut herum, diesmal so heftig, dass sie fast den Halt verloren hätte. Der Verfolger täuschte zur anderen Seite an, doch auch diesmal bekam er den Jungen nicht zu fassen.
    »Stopp! Hören Sie sofort damit auf!«, rief Juliette und packte ihre Röcke, um zu verhindern, dass man sie noch einmal in irgendeine Richtung drehte. »Stopp! Haben Sie nicht gehört? «
    Es war der Tonfall, mit dem sie sonst die Kinder in der Klosterschule dazu brachte, den Mund zu halten. Die Wirkung war erfreulich. Der Junge blieb wie angewurzelt stehen und schnappte nach Luft. Der Gentleman hielt inne, dann richtete er sich zu voller Größe auf. Einen Moment lang schwiegen sie alle drei, während sie sich einander abschätzend betrachteten.
    Der Verfolger des Jungen fand als Erster die Sprache wieder. Er zog seinen Seidenhut, den er zwischenzeitlich wieder aufgesetzt hatte, und beschrieb eine Verbeugung von vollendeter Eleganz.
    »Verzeihen Sie, Mademoiselle. Ich möchte nur diesen

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