Schwerter der Liebe
einer anderen Zeit, die zu sein sie vorgab. Und sie sehnte sich nach der zarten Geschicklichkeit, von der Frauen im Flüsterton sprachen, wenn sie von ihm redeten. Sie wollte erfahren, wie sich seine Berührung anfühlte, wenn sie nicht von dieser ehrfürchtigen Sanftheit geprägt war, die Nicholas ihr gegenüber walten ließ, weil sie einmal der Kirche versprochen gewesen war.
»Wohin sollen wir gehen?«, fragte sie, wobei ihre Stimme nicht mehr als ein heiseres Flüstern war.
Ihr Ziel war Tivoli Gardens, ein mehrere Hektar großer Vergnügungspark am Stadtrand jenseits von Faubourg Ste. Marie, der nach dem Vorbild von Villa d’Este in Italien angelegt worden war. Den Weg dorthin legte sie per Kutsche zurück, in einem eleganten Landauer, den er sich wohl von einem seiner Freunde ausgeliehen hatte. Vermutlich vom Conde de Lerida, überlegte Juliette. Der Kutscher lenkte den Landauer durch die Straßen der Stadt und bewegte sich gemächlich vom schwachen goldenen Lichtschein der Gaslaternen. Es roch lieblich nach Olivenbäumen, die vor allem gepflanzt worden waren, um unangenehmere Düfte zu überdecken. Dennoch ließen sich die Gerüche von Abfällen sowie vereinzelten Hühner- oder Kaninchenställen in den Gärten deutlich feststellen. Hinzu kam eine hohe Luftfeuchtigkeit, so als hätte es eben noch geregnet.
Beide sagten nur wenig. Juliette kam so gut wie nichts in den Sinn, was sie von sich hätte geben können, ohne ihre Identität preiszugeben. Alles andere erschien ihr so banal, dass sie es vorzog zu schweigen. Nicholas schien in Gedanken zu sein, da er eine ernste Miene aufgesetzt hatte, sich aber auf seinem Platz neben ihr erfreulich korrekt verhielt.
Doch als sie die Straßen des Vieux Carre hinter sich ließen, nahm er auf einmal ihre Hand, drehte sie behutsam mit der Innenfläche nach oben, sodass sie in das Licht der Straßenlaternen getaucht wurde. Beunruhigend geschickt begann er, die Knöpfe ihres Handschuhs zu öffnen und ein Stückchen Haut freizulegen. Dann beugte er sich vor und drückte seine Lippen auf jene freie Stelle, unter der ihr Puls in einem wahren Stakkato schlug. Sein Mund fühlte sich heiß auf ihrem Handgelenk an, außerdem spürte sie das faszinierende Kribbeln und Kitzeln seiner Bartstoppeln. Für einen winzigen Moment ließ er seine Zunge über ihre Haut streichen, was sie als so erotisch empfand, sodass ihr Herz noch schneller schlug.
Unwillkürlich zuckte sie zusammen und gleichzeitig entwich ihr ein überraschtes Seufzen. Er reagierte darauf mit einem so tiefen, dumpfen Geräusch, dass es ein angestrengtes Ausatmen ebenso gut sein konnte wie ein leises Lachen. Schließlich knöpfte er ihren Handschuh wieder zu, hielt aber weiter ihre Hand fest, bis sie ihr Ziel erreicht hatten.
Musik begrüßte sie, als sie durch das Eingangstor schritten. Ihr Rhythmus war nicht so erhaben wie die Opernarien und die Walzer, die sie im Ballsaal hinter sich gelassen hatten. Stattdessen wurde zur Polka, zur Mazurka und zu Dorftänzen aufgespielt, auf Instrumenten wie Konzertinas, Fiedeln und Schlaginstrumenten. Es war Musik zum Mitklatschen, die ihre Schritte schwungvoll werden ließ.
Sie folgten den Klängen zu einem Tanzpavillon mitten in den Gärten, einem ausladenden Gebäude, zwischen dessen massiven Holzsäulen sich nur ein Geländer erstreckte. Aul der Konstruktion ruhte ein Dach aus Zypressenschindeln, und auch die Tanzfläche war aus dem gleichen Holz. Durch die Tanzschritte der Besucher wurde von diesem Holzboden ein feines Holzmehl abgerieben, das sich in der Luft hielt und für einen ganz besonderen, holzigen Duft sorgte.
Fächerartig führten zu allen Seiten Wege fort vom Pavillon. Auf einigen von ihnen gelangte man zu verschiedenen Ständen, an denen Speisen und Getränke serviert wurden, andere führten zu einem Irrgarten, einem kleinen Kinderzoo, einem Karussell sowie zu einem See, auf dem man Spielzeugboote im Wasser fahren lassen konnte. Zwischen diesen recht breiten Wegen gab es eine Reihe von ruhigeren, abgeschiedeneren Pfaden, die mit zermahlenen Austernschalen bestreut waren und im Schatten riesiger Eichen lagen. Hier und dort hatte man Nischen geschaffen, in denen Statuen standen, und mit Weinranken überzogene Lauben boten am Tag den Besuchern, die sich dort auf einer Bank niederließen, Schutz vor der Sonne.
Nicholas bot ihr eine Erfrischung an, doch Juliette lehnte dankend ab. Es würde schwierig sein, etwas zu essen oder zu trinken und dabei die Maske
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