Schwerter und Rosen
erreichte, auf dem bereits eine erbitterte Schlacht zwischen den Angreifern und den Bewohnern der Festung tobte. Bis Sonnenuntergang dauerte das Schlachten, bevor das Banner des englischen Königs auf dem höchsten der Ecktürme aufgezogen wurde und die Kämpfer blutbesudelt und siegestrunken in das Feldlager vor den Toren Messinas zurückkehrten. Nicht wenige von ihnen hatten das Plünderungsverbot missachtet und neben Proviant und Kleidungsstücken auch Schmuck und andere Dinge entwendet, die sie an den lodernden Feuern verspielten oder gegen Liebesdienste eintauschten.
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Zufrieden mit dem Erfolg des Tages, ignorierte Richard Löwenherz die Verstöße gegen seine ausdrückliche Anordnung und rieb sich die Hände. Die furchtbare Laune des Vorabends war wie weggeblasen, und beinahe tat ihm sein Verhalten dem jungen Chronisten gegenüber leid. Gierig griff er nach einem Krug, der mit Wasser verdünnten Cidre enthielt, und leerte ihn mit vier langen, tiefen Schlucken, bevor er – ohne Brustpanzer und Helm – vor seine Unterkunft trat und stolz auf die im leichten Abendwind flatternde Fahne mit dem gelben Löwen blickte. Mit dem Kloster der Griffons hatte er einen perfekten Ausgangspunkt für einen Beschuss Messinas gewonnen. Wenn Tankred seinen Forderungen nicht umgehend nachgab, würde er sofort nach Beendigung der Ausbauarbeiten an den Befestigungsanlagen den Befehl zum Angriff geben. Versonnen strich er sich über den gestutzten Bart und betrachtete das muntere Treiben um sich herum. Zwar war offiziell der Befehl ergangen, dass die Kreuzfahrer sich von den Einheimischen fernzuhalten hatten. Doch ließen sich die geschäftstüchtigen Huren nur schlecht von ihrer willigen Beute trennen, sodass in den Außenbereichen der Zeltstadt ein Treiben herrschte, wie man es sonst nur aus Freudenhäusern gewöhnt war. Sobald die Stadt sich ergeben hatte, würde er die Zügel wieder anziehen müssen, dachte er mit einem Stirnrunzeln. Aber bis dahin sollten sich die Männer amüsieren. Das würde sie bei Laune halten!
Als er sich das verdatterte Gesicht vorstellte, das der in einem Stadtpalast innerhalb der Mauern wohnende Philipp von Frankreich inzwischen zweifelsohne machen würde, stahl sich ein flegelhaftes Grinsen auf seine Züge. Sofort nach erfolgreicher Unterwerfung der streitbaren sizilianischen Kirchenmänner hatte er einen Boten zu dem kleinwüchsigen französischen König geschickt, der ihn davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass es sicherer wäre, seine Unterkunft zu verlegen. Vermutlich würde innerhalb der nächsten Stunden eine erzürnte Antwort eintreffen, die mit Sicherheit auch unverschämte Forderungen enthielt, was die von Tankred zurückzuzahlende Mitgift Johannas anging. Und bereits jetzt freute sich Richard darauf, dem kleinen Giftzwerg ein weiteres Mal die Stirn zu bieten. Zwar hatten sie sich vor Vézelay gegenseitig die heiligsten Eide geschworen, dass sie die Beute, die auf diesem Kreuzzug anfiel, brüderlich teilen würden. Doch Richard war sicher, dass selbst vom gierigsten Standpunkt aus das Heiratsgut seiner Schwester nicht als Beute in einem heiligen Krieg zu definieren war. Mit einem wohligen Seufzen kehrte er ins Innere des Pavillons zurück, ließ sich auf seine bequeme Bettstatt sinken und streckte alle Viere von sich. Nachdem er Devizes am Abend zuvor alles andere als zärtlich behandelt hatte, verspürte er nach dem heutigen Erfolg keinerlei Bedürfnis, die Missstimmung zwischen ihnen beizulegen. Und doch musste er die Spannung in seiner Lendengegend auf die eine oder andere Art und Weise abbauen.
»Geoffroy!«, brüllte er und stützte sich auf den Ellenbogen, um den hastig durch den Eingang seines Zeltes stolpernden Knaben, der den inzwischen in den Ritterstand erhobenen Mortimer ersetzt hatte, zu instruieren. »Lauf zum Zelt des Earls of Gloucester«, befahl er und betrachtete den gesenkten Schopf des kaum Elfjährigen mit einer Mischung aus Heiterkeit und Unmut über die Furcht, die der Junge ihm immer noch entgegenbrachte. »Und sage ihm, er soll das Mädchen zu mir schicken, über das wir uns vor Kurzem unterhalten haben!« Kaum war der Knabe in die hereinbrechende Nacht davongestoben, als sich Richard Stiefel und Schwertgurt abstreifte und auf die Ankunft der vollbusigen Schönheit wartete, die Gilbert de Clare, der Earl of Gloucester, in Marseille aufgetan und entgegen besserem Wissen auf diese Kreuzfahrt mitgenommen hatte. Zwar war der Mann mehr als nur betrunken gewesen,
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