Schwerter und Rosen
seinem Schlüsselring in der Halle getroffen, dann wäre auch dieser Tag so ereignislos und langweilig verlaufen wie all die anderen. Nur selten gelang es ihr, die zukünftige Königin in einen der Gärten zu locken, da die Spanierin seit einigen Wochen immer öfter zu frieren schien. Und so brachte sie die meiste Zeit im Inneren des gut geheizten Gemäuers zu. Gelangweilt schlenderte Catherine auf die angelehnte Pforte zu, vor der eine mächtige Kastanie die ausladenden Äste über zwei einfache Holzbänke ausbreitete, und hob den Blick zur Krone des uralten Baumes. Der Großteil der fingerförmigen Blätter hatte bereits die goldenen Töne des Herbstes angenommen, doch hie und da wurden die prallen Früchte noch von dunkelgrünem Laub überschattet. Als sie mit der Spitze ihres Stiefels gegen eine der stacheligen, halb aufgeplatzten Schalen stieß, bückte sich das Mädchen, um den rötlich schimmernden Inhalt zu befreien und die Faust darum zu schließen. Wie glatt und vollkommen sich die Frucht anfühlte! Wie jedes Jahr erfüllte sie die Geschwindigkeit, mit der sich die Wärme ihres Körpers auf die in ihrer Hand ruhende Kastanie übertrug mit Erstaunen. Und als sie die Finger wieder öffnete, legte sie die Frucht – ebenfalls wie immer – an ihre Wange und sog das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit, das sie dabei durchströmte, in sich auf. Nach einigen Augenblicken des Genießens steckte sie den Handschmeichler in die Tasche ihres Umhanges und beschloss, noch ein wenig durch die Anlage zu streifen und sich die Zukunft auszumalen, die am Ende des Winters auf sie wartete.
Da ihre Herrin, Berengaria von Navarra, eine Langschläferin war, hatte Catherine für gewöhnlich am Morgen genug Zeit für sich selbst, und immer öfter nutzte sie diese Momente der Freiheit, um in Gedanken der Beschränktheit ihrer Unterkunft zu entfliehen. Den Plänen zufolge, welche die immer noch das Zepter führende Aliénor von Aquitanien ihnen unterbreitet hatte, würden die Damen, die zu dem kleinen Gefolge der zukünftigen Königin von England gehörten, Ende März Anker lichten, um nach Sizilien überzusetzen. Dort würden sie sich der vor Messina lagernden Streitmacht Richards anschließen, um diesen unter strengster Bewachung auf den Zug ins Heilige Land zu begleiten. Wie sehr sich Catherine darauf freute, neben Harold auch ihren Vater, den Earl of Derby, wiederzusehen! Beinahe schmerzlich sehnte sie sich nach der polternden Gesellschaft von Männern, deren Tagesinhalt nicht durch Schmeichelei und Schönreden bestimmt wurde. Zu eintönig war der Alltag, wenn außer verweichlichten Hofangestellten und dichtenden Gecken kein Bartträger Farbe in das Leben der Damen brachte. Während sie dagegen ankämpfte, dass der Wind ihr den Schleier vom Kopf zerrte, tauchte sie unter dem von wilden Rosen umrankten Torbogen hindurch, der in den sorgsam gepflegten Garten führte, und blickte lächelnd auf die spätsommerliche Blütenpracht.
Vor den Stadttoren Akkons, Oktober 1190
»Ich werde Euren Anspruch niemals anerkennen!«, fauchte Guy de Lusignan Konrad von Montferrat an, der dank der kriecherischen Dienstfertigkeit des Erzbischofs von Pisa und des Bischofs von Beauvais seit Kurzem mit der sich in Tyros befindlichen Schwester Sibylles von Jerusalem – Isabella – verehelicht war. Sein in aschblonden Wellen unter der seidenen Coiffe hervorquellendes Haar wirkte ungepflegt und zu lang, und auch dem schlecht gestutzten Vollbart des zwar kleinen, aber breitschultrigen Guy sah man an, dass er dringend der Aufmerksamkeit eines Barbiers bedurfte. Die leuchtend grünen Augen lagen wütend auf dem schlanken Konrad, um dessen Mund ein zynisches Lächeln spielte. Nachdem sowohl Konrad als auch Isabella bereits anderweitig vermählt waren, hatte sich der bedrängte Patriarch von Jerusalem mit einer vorgetäuschten Krankheit aus der Affäre gezogen und seinen Kollegen die heikle Angelegenheit überlassen, die unter weitaus weniger Skrupeln litten als der als Feigling bekannte Heraclius von Caesarea. Was zur Folge hatte, dass sich Guys Anspruch auf den Thron des Königreiches, den er ja nur durch die Heirat mit Sibylle erworben hatte, quasi über Nacht in nichts aufgelöst hatte.
So kam zu der Trauer um die vor wenigen Tagen verstorbene Gemahlin und seine Töchter noch die Wut über die Doppelzüngigkeit des lateinischen Klerus und die Ohnmacht dem ihn verhöhnenden Widersacher gegenüber. Heftig atmend ballte er die Hände an
Weitere Kostenlose Bücher