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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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als er Richard Löwenherz das Angebot gemacht hatte, die pralle Magd mit ihm zu teilen. Doch das war dem König an diesem Abend vollkommen gleichgültig. Es gab nur einen Weg, das Gefühl der Macht, das durch seine Adern pulsierte, zu bändigen und gleichzeitig bis zum Letzten auszukosten.

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    Während der König der Ankunft seiner Gespielin harrte, zog Harold sowohl geistig als auch körperlich erschöpft die zerschlissene Cotte über den Kopf. Kraftlos fiel er vor seinem muffigen Strohlager auf die Knie, um des Schwindels, der ihn seit der Rückkehr in das überfüllte Feldlager ergriffen hatte, Herr zu werden. Als der Stoff des Kleidungsstückes die tiefe Fleischwunde an seiner linken Schulter wieder aufriss, zuckte er kurz zusammen, biss jedoch die Zähne aufeinander und schenkte der Verletzung keine weitere Beachtung. Beinahe schien es ihm, als sei der Schmerz heilsam. In dem Moment, in dem er den langjährigen Freund und Begleiter, Guy de Brassard, in die Tiefe hatte stürzen sehen, hatte er nicht gedacht, dass der glühende Stich des Entsetzens, der ihm dabei die Brust gesprengt hatte, durch etwas übertroffen werden könnte. Und doch schien das, was er nur wenige Augenblicke später – nachdem er wie durch ein Wunder unverletzt in den Innenhof des Klosters gelangt war – hatte tun müssen, die Pforten der Hölle geöffnet zu haben.
    Mit einem Stöhnen presste er die brennenden Lider aufeinander, nur um sie gleich darauf wieder aufzureißen und blicklos in die Flammen der vor dem Eingang flackernden Pechfackeln zu starren. Wie durch einen bösen Zauber schien ihm jedoch auch dort das Gesicht des Novizen entgegenzublicken, und er bedeckte schaudernd die Augen mit den besudelten Händen. Zerplatzt war die Illusion von Heldenmut und Großtaten! Hätte er gewusst, dass es ein Kind war, das ihn von hinten mit einer rostigen Klinge angriff, die beim ersten Hieb entzweigegangen war, dann hätte er den Jungen geschont. Aber bevor er verstanden hatte, dass der Feind der dank Henry of Cirencesters Kampfschule wuchtig geführten Waffe nicht standhalten konnte, war der Knabe enthauptet zu Boden gesunken. »Vergib mir, Herr«, murmelte er erdrückt und schluckte den Klumpen, der ihm in der Kehle aufsteigen wollte. Einige der älteren Knappen, mit denen er inzwischen befreundet war, hatten ihn vor der Feuertaufe gewarnt und ihm die dunklen Gefühle beschrieben, mit denen man zu kämpfen hatte, wenn das erste Mal die eigene Waffe ein Leben nahm. Doch nichts hatte ihn auf die Flut der Selbstvorwürfe vorbereitet, die ihn in diesem Moment beinahe zu ersticken drohte. Wenn er doch nur wie früher Guy sein Herz hätte ausschütten können! Aber der Begleiter, der seit seiner frühesten Kindheit eine Konstante in Harolds Leben dargestellt hatte, wurde in diesem Augenblick in dem für die Gefallenen ausgehobenen Massengrab verscharrt.
     
     
    Barcelona, Alcázar, Oktober 1190
     
    Entgegen der Vorhersage ihres Gastgebers, des Grafen von Barcelona, war das Wetter in der Nacht umgeschlagen. Der Himmel über der Bucht, in der sich die aufgepeitschten Wellen brachen, erweckte den Eindruck, niedriger zu hängen als für gewöhnlich. Eine halbe Meile vor der Küste wurden vier kreischende Möwen von den heftigen Böen durch die Luft geschleudert, während zwei der Vögel pfeilschnell in Richtung des offenen Meeres schossen, schienen die anderen beiden wie von unsichtbaren Fäden zurückgehalten auf der Stelle zu torkeln. Während ihre Gewänder wild in dem immer stärker werdenden Sturm flatterten, blickte Catherine von dem rechteckigen Hauptturm der Festung sehnsüchtig nach Süden. Die im Herzen der Stadt gelegene Burg mit den verspielten runden, die Ringmauer unterbrechenden Türmchen schien ihr wie ein Gefängnis, wenn sie daran dachte, dass lediglich die sonst so friedlichen Gewässer des Mittelmeeres sie von Harold of Huntingdon trennten. Immer öfter tauchte in letzter Zeit der blonde Schopf des jungen Mannes in ihren Träumen auf, deren Inhalt ihr manchmal noch Tage später die Schamesröte ins Gesicht trieb. Sie seufzte. Mit schwerem Herzen warf sie dem zerklüfteten Horizont, über den immer dunkler werdende Wolken jagten, einen letzten Blick zu und stieg die ausgetretenen Stufen in den Innenhof hinab, der am heutigen Sonntag seltsam verwaist wirkte.
    Die meisten der starken Türen, die ins Innere der beinahe quadratischen Festung führten, waren fest verschlossen. Hätte sie nicht durch Zufall den Steward mit

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