Schwerter und Rosen
dem schrecklichen Sumpffieber geschwächte und entstellte Körper so kraftlos, dass selbst ein Nicken die Kräfte des Kranken überstieg. Das rotblonde Haar des dreiundzwanzigjährigen Staufers klebte an der aschfahlen Haut seiner Schläfen. Hätten die aufgeplatzten Lippen nicht ab und zu gezuckt, dann hätte man annehmen können, er sei bereits vollständig gelähmt wie all die anderen Leidenden. Seit ihrem knappen Entkommen in den Sümpfen, wo ihnen die Bewohner der muslimischen Feste von Aleppo aufgelauert hatten, war das Häuflein der Deutschen auf kaum mehr als zweitausend Mann zusammengeschrumpft, von denen viele im Sterben lagen. Überall in der Stadt loderten Scheiterhaufen, auf denen die der Seuche Erlegenen verbrannt wurden, damit sich zu dem hoch ansteckenden Sumpffieber nicht noch weitere Krankheiten wie Cholera oder die tödlichen schwarzen Blattern gesellten.
So riesig war die Übermacht der Mauren in den Sümpfen gewesen, dass auf einen deutschen Kreuzfahrer drei Sarazenen gekommen waren. Und die Zahl der Gefangenen, welche inzwischen vermutlich auf den Märkten in Aleppo, Hama, Schaizar und Homs als Sklaven angeboten wurden, war niederschmetternd. Einzig das Kontingent der Österreicher, das sich bereits zu weit südlich befunden hatte, war nahezu unversehrt davongekommen. Ansbert und Arnfried von Hilgartsberg hatten ihr Entkommen lediglich einer glücklichen Fügung zu verdanken, da Ansberts Esel einen Weg durch den Morast gefunden hatte, auf dem ihnen niemand gefolgt war. Dieser schmale Pfad hatte sie, vor den Augen der Angreifer verborgen, meilenweit durch die grüne Hölle geführt, in der sie sich mehr als einmal verirrt hatten. Allein die Erinnerung an die verzweifelte Suche nach festerem Boden trieb Arnfried von Hilgartsberg immer noch den Schweiß auf die Stirn. Er schüttelte den Kopf, um die Gedanken abzuschütteln. »Ich werde Euch etwas heißen Wein bringen«, sagte er, erhob sich und trat an die kupferbeschlagene Feuerstelle, über deren knisternden Flammen ein Krug des würzigen Getränkes leise vor sich hin köchelte. Zuerst hatte er dem Hekim nicht glauben wollen, dass der in dem schweren Rebensaft enthaltene Alkohol das Fieber senken würde. Doch der Erfolg schien dem Heiler Recht zu geben. Vielleicht waren es auch die schwer duftenden Gewürze, die dunkel auf der schaumigen Oberfläche hin und her tanzten, aber eigentlich war es Arnfried gleichgültig. Die Hauptsache war, der Herzog kam so bald wie möglich wieder auf die Beine.
Nachdem er dem Kranken Schluck um Schluck aus einem kleinen Becher eingeflößt hatte, und dieser eingeschlummert war, trat der Ritter an den Tisch. Dort setzte er sich, um an den Notizen zu arbeiten, die er für sein geplantes Versepos begonnen hatte festzuhalten. Denn obgleich er den Plan, die alte Sage über den Zug der Burgunder zu Pergament zu bringen, zwischendurch immer wieder verworfen hatte, sammelte er auf dieser Heerfahrt doch so viele Eindrücke, dass es ihm beinahe ein inneres Bedürfnis war, diese in künstlerischer Form zu verarbeiten. Er war gerade dabei, einen Schlussstrich unter eines der Kapitel zu ziehen, als ein aufgeregter Ansbert den Kopf durch die Tür steckte. Das Gesicht des Mönches war vor Aufregung gerötet, und in den blauen Augen lag ein Anflug von Besorgnis. »Kommt schnell auf den Marktplatz«, drängte der von eiternden Stichwunden entstellte Chronist. »Die Männer des Herzogs von Österreich versuchen, die andern zum Aufbruch zu drängen!« Hastig ließ der Hilgartsberger den Federkiel sinken, streute eine Handvoll Sand auf das Geschriebene und folgte dem bereits wieder durch die Doppeltür in den Gang hinaus verschwundenen Ansbert, um wenige Momente später in die drückende Hitze des Nachmittages zu treten. Am südlichen Ende des Platzes unterhalb der mächtigen Grafenburg hatte sich der beleibte Leopold von Österreich auf eine hölzerne Plattform geschwungen, von der aus er mit ausladenden Gesten und blumigen Worten auf die versammelten Kreuzfahrer einredete. »Wenn wir uns nicht bald auf den Weg nach Akkon machen«, dröhnte er, »dann kommt unsere Hilfe zu spät und Gottes Zorn wird mit aller Gewalt auf uns herabfahren!«
Jerusalem, Jüdisches Viertel, Oktober 1190
Mit vor Erschöpfung grauem Gesicht nahm Curd von Stauffen dankbar die angebotene Stärkung entgegen und machte sich über das mit Linsen gebackene Lamm her, als ob er seit Wochen nichts mehr gegessen hätte. Seine von der Sonne verbrannte
Weitere Kostenlose Bücher