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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Haut löste sich großflächig von Nase, Wangenknochen und Kinn, und der ehemals mitternachtsblaue Kaftan hatte einen Farbton angenommen, der an den Wüstensand erinnerte, durch den der junge Tempelritter beinahe einen Monat lang geirrt war, um das verschollene Handelsgut des Juden ausfindig zu machen. Gierig biss er in einen der würzigen Fladen, bevor er einen weiteren Löffel des scharfen Fleischgerichtes zwischen die Zähne schob und mahlend kaute. Die Hand, mit der er den Bissen zum Mund führte, zitterte ein wenig, doch langsam wichen Entkräftung und Verbitterung dem Gefühl drückender Bekümmerung. Die Niedergeschlagenheit in seinen Augen spiegelte sich in dem grauen Blick des ihm gegenübersitzenden Kaufherrn wider, der lustlos in den vor ihm aufgetragenen Speisen stocherte. Um seinen Mund lagen tiefe Sorgenfalten, und auch die vormals glatte Stirn war von der Bürde, die auf ihm lastete, zerfurcht.
    Als er das Mahl hastig hinuntergeschlungen hatte, wischte Curd sich mit dem Handrücken über den Mund und starrte Nathan beklommen an. »Was sollen wir jetzt noch unternehmen?«, fragte er verzweifelt und suchte den Blick des Juden, der sich nur zäh von den abgenagten Knochen in der Mitte des Tisches löste. »Wir können doch das Gold nicht aus dem Boden stampfen!«, stieß er heftig hervor und sprang von der harten Bank auf, um seinen Gefühlen durch ungeduldiges Auf- und Abstapfen ein Ventil zu verschaffen. Nach der nur teilweise erfolgreichen Suche nach den vermissten Karawanen war er unter nicht unerheblichen Gefahren mit den traurigen Überresten der einstmals langen Schlange von Lastkamelen nach Jerusalem zurückgekehrt – halb in der Hoffnung, Rahel wieder frei und unter dem Dach ihres Ziehvaters vorzufinden. Wie enttäuscht war er gewesen, als er erfahren hatte, dass sie nach wie vor im königlichen Harem gefangen gehalten wurde. Resigniert hielt er dicht vor dem mit gesenktem Kopf dasitzenden Juden inne und ließ die Faust auf die polierte Tischplatte donnern. Was zur Folge hatte, dass der Ziehvater seiner Geliebten für einen kurzen Moment aus seinem dumpfen Brüten aufschreckte. Nachdem er dem zornigen Blick des jungen Mannes einige Wimpernschläge lang standgehalten hatte, erhob er sich und trat neben ihn, um ihm vorsichtig die Hand auf die Schulter zu legen.
    »Ich könnte noch einmal in der Gemeinde um Hilfe bitten«, schlug er wenig zuversichtlich vor, was Curd ein verächtliches Schnauben entlockte. »Aber den Anderen geht es nicht viel besser als mir«, setzte er entschuldigend hinzu. Immerhin hatte Shahzadi alle Kauffahrer der Stadt um Gold angegangen – und wer nicht bezahlen konnte, war versklavt worden. Beinahe ein Drittel der jüdischen Bevölkerung war über Nacht in den Kerkern der Zitadelle verschwunden und erst wieder aufgetaucht, als die von der Prinzessin in die Stadt beorderten syrischen und ägyptischen Sklavenhändler Jerusalem mit ihrer Ware verlassen hatten. »Wenn es stimmen sollte, was sie gesagt hat«, sagte Curd grübelnd. Doch nach wie vor weigerte er sich, der Geschichte der Prinzessin Glauben zu schenken. Denn das würde bedeuten, dass er von einem Ungläubigen abstammte! Mit einem unverständlichen Murmeln ließ er sich auf einen der Sitzsäcke vor dem Fenster fallen und streckte die müden Glieder. »Ich werde morgen noch einmal in der Zitadelle vorsprechen«, erbot er sich. »Wenn der Sultan mir eine Audienz gewährt, dann besteht Hoffnung.« Über die plötzliche Zuversicht des jungen Mannes erstaunt, blickte Nathan forschend in die braunen Augen. Doch solange es nicht absolut nötig war, wollte der Templer den Verdacht, den Shahzadi in seinem Herzen eingepflanzt hatte, für sich behalten.
     
     
    Vor den Toren Messinas, Anfang November 1190
     
    »Nicht so hektisch«, belehrte Hugh, der Wildhüter des Earls of Huntingdon, den Sohn seines Dienstherrn, der an diesem Morgen überraschend im Schlepptau Henrys of Cirencester auf dem Übungsplatz der Bogenschützen aufgetaucht war. »Dann verfehlst du die Scheibe nicht immer.« Die Zunge vor Konzentration zwischen die Zähne geklemmt, spannte Harold erneut den mächtigen Eibenbogen, den Henry ihm in die Hand gedrückt hatte, und legte an. Die in dreißig Fuß Entfernung aufgestellte Strohscheibe zierte ein albernes, aus Kaninchenfell zusammengenähtes Püppchen, in dessen Bauch bereits etliche Pfeile steckten, und dessen Ohren in der vom Meer her fächelnden Brise hin und her wippten. Als sein Arm anfing zu zittern,

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