Schwerter und Rosen
schlechte Nachrichten.« Verdutzt zog Salah ad-Din die Brauen in die Höhe und schob den Kopf ein wenig nach vorn. Was um alles in der Welt mochte dieser unscheinbare, vor Furcht gelähmte Mann für Neuigkeiten bringen, die ihn auch nur im Geringsten interessieren könnten? »Ja doch, weiter!« Mit einer schroffen Handbewegung gab er dem schwer Atmenden zu verstehen, fortzufahren. »Ich weiß nicht, inwiefern Eure Schwester Euch von den Ereignissen in Kenntnis gesetzt hat«, murmelte der Jude schüchtern und wich dem forschenden Blick des mächtigsten Mannes des Ostens aus. »Aber der von mir ausgesandte Tempelritter hat Kunde geschickt, dass nur noch eine der drei Karawanen auffindbar ist.« Er machte eine kurze Pause, bevor er schleppend fortfuhr. »Die anderen beiden sind Plünderern zum Opfer gefallen.«
Also hatte Shahzadi recht behalten, fuhr es dem Sultan durch den Kopf. Der Templer würde tatsächlich zurückkehren, um der Tochter dieses Wurms das Leben zu retten! Nur mit Mühe unterdrückte er ein bewunderndes Lachen für seine habgierige und intrigante Schwester. »Bitte Herr.« Erneut fiel der Jude auf die Knie. »Tut meiner Tochter nichts an.« Seine Stimme erstarb, als er der ausdruckslosen Miene des Herrschers gewahr wurde. »Sie hat doch niemandem ein Leid zugefügt.« Ein ersticktes Schluchzen raubte ihm die Stimme, und nachdem er den flennenden Schacherer eine Weile lang gelangweilt betrachtet hatte, erhob sich Salah ad-Din und trat auf die kauernde Gestalt zu. »Ihr könnt das Leben Eurer Tochter vielleicht retten«, sagte er leise und stieß den Mann mit dem Fuß an. »Ihr müsst mir lediglich eine Frage beantworten.« Wie von der Sehne geschnellt fuhr der Kopf des trauernden Vaters nach oben, während Salah ad-Din an ihm vorbei an eines der kleinen Fenster trat und scheinbar grübelnd versetzte: »Welche Partei sollte Eurer Meinung nach diesen Krieg gewinnen? Welches ist der wahre Glaube, dem Gott zum Sieg verhelfen wird?« Der in seiner Stimme mitschwingende Unterton wirkte ehrlich interessiert.
Heiße Furcht durchzuckte den immer noch auf den harten Fliesen kauernden Nathan, während ihm blitzschnell die unterschiedlichsten Antworten durch den Kopf schossen. Eine direkte Antwort auf diese Frage stand vollkommen außer Frage – wollte er den Palast lebend verlassen. Und so fiel ihm in den wenigen Augenblicken, die der Sultan ihm schenkte, bevor er sich umwandte und ihn fordernd anblickte, lediglich eine alte, abgedroschene Parabel ein, die der moslemische Herrscher deuten konnte, wie er wollte. »Es war einmal ein Vater, der hatte drei Söhne«, begann er und erzählte mit zitternder Stimme die Geschichte von drei Ringen, die sich so sehr glichen, dass niemand mehr das Original, dessen Kopie die anderen beiden waren, benennen konnte. »Und dasselbe sage ich Euch, mein Gebieter, auch von den drei Glaubenslehren«, versetzte er leise. »Gott selber hat sie den drei Völkern gegeben, und jedes Volk glaubt, Gottes Erbe, seinen wahren Glauben und seine Gesetze empfangen zu haben. Wer sie aber wirklich besitzt, das ist – wie bei den drei Ringen – bis heute noch ungeklärt.« Als er geendet hatte, betrachtete der Sultan, der sich auf einem Diwan niedergelassen hatte, ihn einige Momente lang versonnen. »Das ist eine sehr interessante Fabel.« Während die grauen Augen auf dem gesenkten Kopf des Juden ruhten, erhob er sich langsam und trat auf die bebende Gestalt zu. »Aber wir beide wissen«, setzte er nach einer Weile hinzu, in der außer dem schwerfälligen Atem des Knienden nichts zu hören war, »dass es in diesem Konflikt nicht um Wahrheit geht, sondern einzig und allein um Macht.« Nachdem einige lastende Augenblicke der Stille verstrichen waren, klatschte er unvermittelt in die Hände und bedeutete dem Kauernden aufzustehen. »Ihr könnt gehen.« Als der Jude, der sich in einer tiefen Verneigung rückwärts zu der Flügeltür zurückzog, diese beinahe erreicht hatte, setzte der Sultan beinahe widerwillig hinzu: »Seht zu, dass Ihr das fehlende Geld so schnell wie möglich irgendwo auftreibt. Dann müsst Ihr Euch um Eure Tochter keine Gedanken machen.«
Tripolis, Oktober 1190
»Ihr müsst Vertrauen in Gott haben, Herr«, flüsterte Arnfried von Hilgartsberg, der dem von Fieberanfällen geschüttelten Herzog von Schwaben die schweißnasse Stirn abtupfte. Doch obwohl ihm die Bewegung der fast vollständig zugeschwollenen Augen verriet, dass dieser ihn hören konnte, war der von
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