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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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bereits Pagen und Knappen, deren nackte Beine von der Richtplattform baumelten. Aber nachdem Harold einen der jüngeren Burschen mit einem grimmigen Stirnrunzeln vertrieben hatte, schwang er sich auf den von diesem frei gemachten Balken und ließ den Blick über die Versammlung wandern. Immer dichter fielen die Tropfen, und immer mehr Schilde wurden zum Regenschutz umfunktioniert, während die bunt gewandeten Kämpfer den Worten ihres Königs gebannt und voller Bewunderung lauschten.
    »Männer«, fuhr dieser soeben fort und unterstrich die Worte mit einer energischen Geste. »Die Zeit ist gekommen, die Beleidigungen der Sizilianer zu ahnden!« Mit einem entschlossenen Funkeln glitten die Augen des Hünen über die ihm frenetisch zujubelnde Menge. Sein breiter Brustkorb wurde von einer prunkvollen Rüstung bedeckt, über der sich das rot-gelbe Wappen der Plantagenets spannte. Die riesigen Pranken steckten in schweren Kettenhandschuhen, und sowohl Arme als auch Beine des kriegerischen Königs waren durch starke Panzerung geschützt. Den schlichten Helm mit dem Nasenschutz hatte er unter die Achseln geklemmt, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. »Wir werden uns nicht schon hier zum Narren machen lassen«, setzte er hinzu, nachdem sich der Tumult ein wenig gelegt hatte. »Oder soll sich Saladin vor Akkon die vor Lachen schmerzenden Seiten halten?« Nur wenige Augenblicke hing die Frage in der Luft, bevor die Versammlung in wildem Gebrüll explodierte. »Nein!«, brandete ein kakophonischer Chor aus Männerstimmen dem König entgegen. »Niemals!« Geballte Fäuste schossen in die Höhe, und an mancher Stelle wurden heimlich Dolche und Schwerter gebleckt. »Morgen, sobald die Sonne aufgeht«, übertönte Richards Bass den Aufruhr, während hinter ihm ein greller Blitz über den Himmel zuckte, »werden wir mit dem Sturm auf Messina beginnen!«
     
     
    Jerusalem, Moslemisches Viertel, Anfang November 1190
     
    Schlecht gelaunt fuhr Shahzadi sich mit der Hand über die bloßen Oberschenkel und zuckte zusammen, als ihre aufgeweichten Fingerkuppen kurz über dem linken Knie eine entzündete Haarwurzel ertasteten. Um die sie seit Tagen bedrückende Unrast zu vertreiben, hatte sie ein ausgedehntes Dampfbad genossen und sich danach unter den kalten Fontänen des Hamams abgekühlt, um nun in ihrem privaten Gemach auf einer Liege die Ruhe des späten Nachmittages zu genießen. Trotz des erregenden Liebesspiels mit dem eifrigen Sklaven, der inzwischen beinahe täglich ihr Bett teilte, begann sie, sich immer öfter alt und unscheinbar zu fühlen. Missmutig ließ sie die Hand weiter zu ihrer Flanke gleiten, die weich und formlos den Konturen der gepolsterten Liege nachgab, und brachte sie kurz über ihrer enthaarten Scham zum Ruhen. Waren ihr die großen pockennarbenähnlichen Löcher in der Haut ihrer Beine früher nur nicht aufgefallen, oder handelte es sich um einen Makel, der erst verhältnismäßig jung war? Auch ihre Brust fühlte sich schlaffer an als in der Vergangenheit. Nachdem sie das Mädchen, das ihre Füße gewaschen und geölt hatte, mit einer ungeduldigen Geste aus dem Raum gescheucht hatte, erhob sie sich und trat vor den polierten Silberspiegel, der das Arabeskenmuster der durchbrochenen Wand in ihrem Rücken zurückwarf.
    Im Gegensatz zu der samtigen Geschmeidigkeit, die ihr noch vor einigen Wochen entgegengeblickt hatte, erschien es ihr an diesem Tag, als sei ihre Haut grobporiger und faltiger geworden. Armbeugen, Kniekehlen und selbst die ehemals prallen Hinterbacken wirkten pergamentartig und vertrocknet. Wenn sie sich nicht darüber im Klaren gewesen wäre, dass selbst viele der jüngeren Mitglieder des Harems ihr in Anmut und Grazie nachstanden, dann hätte sie dem irrationalen Impuls nachgegeben und den kostbaren Spiegel mit einem Fluch zerschmettert. Wie konnte sie sich in so kurzer Zeit so verändert haben?, fragte sie sich unwillig und beugte sich ein wenig zurück, um ihren einstmals wohlgeformten Bauch dabei zu beobachten, wie er der Bewegung in grotesk anmutender Verzögerung folgte. Oder bildete sie sich das alles nur ein? Forschend führte sie die Hand an eine der schweren Brüste, deren lange, spitze Brustwarzen sie zu verhöhnen schienen, und schob sie ein wenig nach oben. Vielleicht sollte sie sich öfter in dem Bad aus kostbaren Ölen aufhalten, das in einer der Wärmekammern stets für die weiblichen Bewohner des Harems bereitstand. Mit einem resignierten Seufzer warf sie einen der farbenfrohen

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