Schwerter und Rosen
Seidenschals über die Sichtfläche des Spiegels, wandte sich ab und begann, sich anzukleiden. Es hatte keinen Sinn, gegen das Älterwerden anzukämpfen! Früher oder später würde sie sich damit abfinden müssen, dass sie keine junge, begehrenswerte Frau mehr war. Aber solange ihr die willigen, vor Männlichkeit strotzenden ägyptischen Sklaven immer noch das Gegenteil beweisen wollten, würde sie der Lüge Glauben schenken und sich selbst betrügen!
Als sie auf dem Weg zum Ausgang, an dem wie immer mehrere Sänften für die Besucher bereitstanden, an einem der vielen kleinen privaten Palmengärten vorbeikam, vernahm sie ein Lachen und Geschnatter in einer ihr fremden Sprache. Neugierig und ein wenig aufgebracht durch die Tatsache, dass die Mädchen sich offenbar schamlos amüsierten, stürmte sie den Gang entlang und blieb bei dem Anblick, der sich ihr bot, als sie in den sonnendurchfluteten Garten trat, sprachlos vor Ärger stehen. Inmitten der langsam welkenden Blütenpracht der Büsche und Sträucher saßen die Gespielin ihres Bruders und die gefangen genommene Jüdin auf einer Decke am Boden und unterhielten sich angeregt, während sie das Gesagte immer wieder mit ausladenden Gesten und Gelächter untermalten. Kaum hatten die Mädchen sie erblickt, sprangen sie erschrocken auf, zogen hastig die zurückgeschlagenen Schleier vor die Gesichter und sanken in eine tiefe Verbeugung. Wutentbrannt eilte Shahzadi auf sie zu und ergriff Philippa grob am Oberarm. »Verschwinde!«, zischte sie und stieß die Fränkin auf den Torbogen zu, der ins Innere des Gebäudes führte, um sich – kaum war diese mit einem letzten Blick auf Rahel verschwunden – der Ziehtochter des Juden zuzuwenden.
»Dir scheint der Ernst deiner Lage nicht ganz klar zu sein!«, stieß sie zornbebend hervor und versetzte dem erschrockenen Mädchen eine Ohrfeige, die es einen Schritt zurücktaumeln ließ. »Du hast es lediglich der Weichherzigkeit meines Bruders zu verdanken, dass ich dich noch nicht verkauft habe!«, fauchte sie mit zornesdunklem Blick. »Aber wenn du es darauf anlegst, kann sich das schnell ändern.« Verschüchtert und vollkommen überwältigt von dem Ausbruch der Prinzessin, senkte Rahel den Kopf und begann, leise zu weinen. Während die Tränen ihre Wangen hinabrannen und in dem hochgeschlossenen Kragen ihres walnussfarbenen Gewandes versiegten, verkrampften sich die Hände an ihren Seiten zu Fäusten der Ohnmacht. Mit einem verächtlichen Blick ließ die vor Wut kochende Shahzadi die heulende Gefangene stehen, stürmte auf den Ausgang zu und warf die schwere Tür mit einem weit hallenden Knall ins Schloss. Wie sehr sie es hasste, dass Salah ad-Din ihr die Hände gebunden hatte, was das Mädchen anging! Denn nach wie vor war sie sicher, dass der Kaufherr die geforderte Summe wie durch Zauberhand aufbringen würde, wenn man ihm die Nachricht des Verkaufes oder der Schändung seiner Tochter ins Haus brachte.
Teil 3: März 1191 – Februar 1192
Vor den Stadttoren Akkons, März 1191
» Wie groß im Herzen dieses Mannes die Ehrfurcht vor Gott gewesen war, kann jeder aus dem Folgenden erkennen: Auf dem Krankenbett wurde ihm von den Ärzten eröffnet, er könne geheilt werden, wenn er sich dem Liebesgenuß hingeben würde. Er antwortete, er wolle lieber sterben, als auf der Pilgerfahrt Gottes den Leib mit Wollust zu beflecken.«
Zum unzähligsten Male las Arnfried von Hilgartsberg den kurzen, aber ergreifenden Nachruf des Herzogs von Schwaben, der vor sechs Wochen – trotz der Bemühungen des heilkundigen Ritterordens vor Akkon – seinem Fieberleiden erlegen war. Schleppend und unter weiteren Verlusten war es dem kläglichen Rest des deutschen Kreuzfahrerheeres kurz vor der Jahreswende schließlich gelungen, zu der belagerten Stadt vorzudringen. Aber das, was sie dort vorfanden, ließ sie an Gott zweifeln. Die unter den Christen wütenden Seuchen rafften täglich mehr und mehr Männer dahin. Und nachdem der Einsturz eines Teils der unterminierten Mauern Anfang Januar für Zuversicht gesorgt hatte, war die Hoffnung der Belagerer durch eine neue, von Salah ad-Din entsandte Garnison, welche die feindlichen Linien ohne Weiteres hatte durchbrechen können, zunichtegemacht worden. Ansonsten herrschte vor der Stadt weitgehende Waffenruhe, da der moslemische Herrscher darauf zu warten schien, dass die Seuchen und Krankheiten die Arbeit für ihn erledigten.
»Dieser elende Aufschneider bringt mich noch um den Verstand!«, schimpfte
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