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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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unter jedes einzelne der schweren Möbelstücke, die sie von den früheren Bewohnern des Hauses »übernommen« hatten. Gerade wollte er sich der Kammer zu seiner Linken zuwenden, als er unter John of Littlebournes Bett etwas aufblitzen sah. Voller Erleichterung eilte er in das türlose Gemach, das lediglich durch einen Vorhang von der Halle getrennt wurde, und tauchte unter das auf stabilen Beinen ruhende Lager. Mit einem erschrockenen Quieken suchte eine Schar Mäuse das Weite, als sich seine tastende Hand in das Gewirr aus Stroh, Schmutz und Staub schob und sich seine Finger um kühles Metall schlossen. Seltsam!, fuhr es ihm durch den Kopf, während er den Fund über den festgestampften Lehmboden zu sich hinzog. Was mochte da wohl verloren gegangen sein? Sein Sporn war wesentlich größer als das, was er hier gefunden zu haben schien, und zudem von gänzlich anderer Form. Mit einem ratlosen Stirnrunzeln betrachtete er den zwar alt, aber überaus wertvoll wirkenden Ring, dessen überdimensionalen Rubin ein Kreuz aus Gold zierte, in das lateinische Worte eingraviert waren. War das Kleinod den ehemaligen Bewohnern unter das Bett gefallen und dann vergessen worden?, fragte er sich, und ging ein weiteres Mal auf die Knie, um etwas tiefer zu forschen. Als seine Fingerkuppen erneut kühles Metall erspürten, beschleunigte sich sein Herzschlag, und er starrte auch die zweite Entdeckung – einen schweren, mit einer Kreuzigungsszene verzierten Goldpokal – mit offenem Mund an.
    »Was machst du hier?!« Erschrocken sprang Harold, der ein drittes Mal unter die Bettstatt gekrochen war, auf die Beine und versuchte, die beiden Funde hinter seinem Rücken zu verbergen. Doch mit wenigen Schritten war der zornesrote John of Littlebourne bei ihm und zwang die zur Faust geballten Finger, die den Ring umschlossen, mühelos auseinander. »Du kleine Ratte!«, flüsterte er wutentbrannt, entwand Harold auch das Goldgefäß und trat dem Knaben mit dem Knie in den Magen, sodass dieser sich vor Schmerz krümmte. »Das sind Reliquien!«, stieß Harold mit schmerzverzerrtem Gesicht hervor. »Ihr habt geplündert!« Ein weiterer Tritt traf ihn, dieses Mal in die Nieren, und er ging wimmernd zu Boden. »Wer hat dir erlaubt, meine Kammer zu betreten?« Littlebournes Stimme war kaum mehr als ein kratzendes Zischen, als er ein drittes Mal ausholte, um den Jungen zu züchtigen. Bevor er seinem Opfer jedoch erneut den gepanzerten Stiefel in die Eingeweide rammen konnte, lenkte ihn der Blick des Knaben ab, der an ihm vorbei zur Tür wanderte, in der soeben der Earl of Essex erschien. »Mylord«, keuchte Harold, hob zitternd die Rechte und zog den am Boden liegenden Kelch an sich. Aber seine Stimme erstarb, als er die Kälte in den Augen des breitschultrigen Adeligen sah. Betont gleichgültig trat dieser auf ihn zu und ging neben ihm in die Hocke, um seinen Kopf an den Haaren in die Höhe zu ziehen. »Ja?« Und obgleich sein Instinkt ihm zuschrie, diese Eselei zu unterlassen, wies Harold mit dem Blick auf die gestohlenen Kirchengüter und krächzte mit belegter Stimme: »Er hat das Verbot missachtet, Mylord.« Nach dem Fall der Stadt und dem Abkommen mit Tankred hatte Richard Löwenherz unter Androhung der Todesstrafe den ausdrücklichen Befehl erteilt, alle geraubten Kirchenschätze unversehens zurückzugeben. »Hat er das?«, fragte Essex zuckersüß und zog den Jungen am Kragen in die Höhe. Der eisige Blick des Hünen schien Löcher in Harolds Seele brennen zu wollen, und kein Wimpernzucken kündigte den harten Schlag ins Gesicht des Knaben an, der diesen auf die dünne Matratze des Lagers schickte. »Dann wirst du die nächsten drei Tage und Nächte zusehen, dass niemand die von John sichergestellten Preziosen stiehlt!« Seine Miene verriet kaum eine Regung, als er verächtlich hinzusetzte: »Und damit du nicht abgelenkt wirst, nimmst du in dieser Zeit wohl besser nicht an den Mahlzeiten teil.«
     
     
    Jerusalem, Moslemisches Viertel, März 1191
     
    Heiteres Vogelgezwitscher drang durch die Gitter der hohen Fenster in die Kammer. Als sich einer der kleinen Gesellen sogar auf der kunstvoll geschmiedeten Blüte einer Tulpe niederließ, musste Rahel wider Willen durch den dichten Tränenschleier vor ihren Augen lächeln. »Flieg schnell fort«, flüsterte sie erstickt, während eine neue Welle der Mutlosigkeit in ihr aufstieg. Noch immer hatte sie keine Nachricht von ihrem Vater oder ihrem Geliebten erhalten, die sie in der bedrückenden Enge

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