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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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ihres Gefängnisses mit Hoffnung erfüllt hätte. Seit über einem halben Jahr saß sie nun bereits in dem ihr inzwischen verhassten Harem Salah ad-Dins fest, und selbst wenn sie sich immer und immer wieder davon zu überzeugen versuchte, dass es ein gutes Zeichen war, dass man ihr bisher nichts angetan hatte, begann doch jeder neue Tag, mehr an ihren Nerven zu zehren. Seit Shahzadi ihr zwei Wächter zugeteilt hatte, die ihr auf Schritt und Tritt folgten, waren auch die ungestörten Treffen mit Philippa unmöglich geworden. Und so mussten sich die beiden jungen Frauen darauf beschränken, belangloses Geplänkel auszutauschen, um eine völlige Isolierung der Gefangenen zu vermeiden.
    Während Rahel das funkelnde Spiel der Regentropfen auf den Palmwedeln vor ihrem Fenster betrachtete, schweiften ihre Gedanken – wie so oft in letzter Zeit – zu ihren leiblichen Eltern ab. Wie sie wohl ausgesehen hatten? Versonnen fuhr sie sich mit der Kuppe ihres Zeigefingers über die von einem seidenen Schleier bedeckte Stirn. Ob sie noch lebende Verwandte hatte? Denn wenngleich sie Nathan als ihren Vater betrachtete, würde sie doch – sollte sich jemals die Möglichkeit zur Flucht ergeben – mit Curd die Stadt verlassen, um sich seinen Glaubensgenossen anzuschließen. Nur auf diese Weise würden die Nachkommen, die sie sich von ihm wünschte, eine Zukunft haben. Ein trockenes Schluchzen nahm ihr den Atem. Eine Zukunft! So wie die Dinge im Augenblick standen, bedurfte es mehr als nur gewöhnlichen Glücks, damit sie eines Tages den Anblick der Sonne wieder unter freiem Himmel genießen könnte. Immer öfter drohte die in letzter Zeit unzufrieden und verbittert wirkende Shahzadi damit, Rahel und die anderen christlichen Gefangenen an einen Sklavenhändler aus Syrien zu verkaufen. Und selbst wenn Rahel den Drohungen nur eingeschränkt Glauben schenkte, nagte das über ihr hängende Damoklesschwert dennoch an ihren ohnehin dünnen Nerven.
    Müde ließ sie sich auf den unbequemen Diwan sinken und vergrub das Gesicht in den Armen. Welche Sünde hatte sie begangen, dass Gott sie mit einer solchen Bürde strafte?, fragte sie sich zum wiederholten Male. War das die Buße, die er ihr abverlangte, weil ihr Vater sie in einem anderen Glauben als dem ihren erzogen hatte? War Gott wirklich so grausam? Oder stellte dieser Abschnitt ihres Lebens eine Prüfung dar, die sie erst im Rückblick verstehen würde? Erneut schnürten Trauer und Verzweiflung ihr die Kehle zu, und sie gab den Widerstand auf. Heiß rannen die Tränen ihre Wangen hinab, um in den weiten Ärmeln ihres Kaftans zu versiegen, während ihr Zwerchfell sich immer heftiger zusammenzog. Lange Zeit weinte sie still vor sich hin, aber irgendwann versiegte der Strom und sie stemmte sich erschöpft auf die Ellenbogen. Nachdem sie sich die Augen getrocknet und die Nase geputzt hatte, warf sie sich auf den Rücken und starrte mit gerötetem Blick an die kahle Decke. Ob sie Curd jemals wiedersehen würde?
     
     
    Ein Stadtpalast in Messina, März 1191
     
    »Seid willkommen!« Mit einer herzlichen Geste reichte Richard Löwenherz Berengaria von Navarra, die vor ihm in einen tiefen Knicks gesunken war, die Hand und zog sie sanft auf die Beine. Während die Augen der spanischen Prinzessin bescheiden auf den Boden geheftet blieben, wanderte der Blick des Königs ungeniert und ungeachtet der tadelnden Miene seiner Mutter über den tiefen Ausschnitt des prunkvollen Bliauds zu der engen Schnürung ihrer Taille, die in einer perfekten Rundung in den Rockteil des hellen Gewandes überging. Catherine, die neben ihrer Herrin kniete, erhob sich auf einen Wink der Königinmutter hin ebenfalls und trat unauffällig in den Hintergrund, von wo aus sie den offiziellen Empfang der Braut verfolgte. Die gewaltige Halle des Stadtpalastes war in den Farben des Königs und der zukünftigen Königin geschmückt, und man hatte keine Mühen gescheut, um den versammelten Gästen einen Eindruck der Großartigkeit zu vermitteln, welche man für die vereinigten Königshäuser für angemessen hielt. In der Mitte des Raumes waren Dutzende von Tischen aneinandergereiht worden, über die sich kunstvoll arrangierte Blumengebinde ergossen und auf denen fein getriebenes Silbergeschirr den Glanz der unzähligen Kerzen und Fackeln zurückwarf. Die Luft war schwer vom Duft köstlicher Speisen, und nur die leicht geöffneten Fenster über den Köpfen der Anwesenden sorgten für einen Hauch der zwar kühlen, aber frischen

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