Schwerter und Rosen
aus der Truhe und ließ ihn mit einem Klimpern auf eines der Tischchen fallen, auf denen frisch geschnittene Lotusblüten einen schweren Duft verbreiteten. Bevor Curd, der vor Verwunderung sprachlos war, etwas darauf erwidern konnte, kramte Adil ein kleines, an einer Lederschnur baumelndes Silberstück hervor, das er dem Templer in die Hand drückte. Während auf der einen Seite des Schmuckstückes ein arabischer Schriftzug prangte, schmückte die Rückansicht ein fein getriebenes Profil des jungen Salah ad-Din. »Ich traue Shahzadi nicht«, bemerkte er trocken und legte dem jungen Mann die Hand auf die Schulter, um ihn mit sanfter Gewalt zur Tür zu schieben. »Wenn sie deine Liebste nicht innerhalb weniger Stunden nach Bezahlen der Schuld freigibt«, riet er, »dann dringe in den Harem ein und befreie sie.« »Aber wie?«, fragte Curd verdutzt. »Er ist eines der am schwersten bewachten Gebäude in ganz Jerusalem.« Al-Adil lachte leise. »Indem du dem Großwesir diese Münze zeigst.«
Messina, März 1191
Die Atmosphäre, die über der Versammlung in dem Stadtpalast in Messina lag, schien zu brodeln vor Aggression, Unzufriedenheit und Ungeduld. Die von starken Dachbalken gestützte Decke lag im Dunkeln, und das durch die schmalen Fenster hereinfallende Licht reichte gerade aus, um die Gesichter der Anwesenden von dem Hintergrund aus hellem Sandstein abzuheben. »Wir sollten schon längst in Palästina sein!«, warf der Earl of Pembroke wenig schüchtern in die Runde und blickte sich trotzig und Beifall heischend um. Einige der Anwesenden nickten zustimmend. Doch die meisten von ihnen warfen erst dem am Ende der Tafel thronenden Löwenherz einen vorsichtigen Blick zu, bevor sie entweder peinlich berührt den Kopf senkten oder die Achseln zuckten. »Ich weiß«, erwiderte der König erstaunlich ruhig. »Auch ich hatte beabsichtigt, früher vor Akkon einzutreffen, aber die Stürme kann man nun einmal nicht ignorieren.« »Ja«, brummte Robert de Beaumont, der Earl of Cornwall, leise vor sich hin. »Aber wenn man dieses vermaledeite Messina nicht hätte einnehmen müssen, dann wären wir jetzt schon längst da.« Sein Gegenüber, Richard de Reviers, der Earl of Devon, zog eine ähnlich säuerliche Miene, da ihm die Verzögerung genauso auf den Nerv fiel wie Cornwall. »Außerdem sind die Damen noch nicht eingetroffen«, setzte Löwenherz, der sich erhoben hatte, in einem Tonfall hinzu, der den Anwesenden signalisierte, dass das Ende der Unterredung erreicht war. Folglich schoben auch die zum königlichen Beraterstab gehörigen Adeligen die Stühle zurück und verließen im Gänsemarsch die Halle, um in die unterschiedlichsten Richtungen davonzueilen. Als er sich zufällig Schulter an Schulter mit William de Ferrers, dem Earl of Derby, wiederfand, warf Essex, der ebenfalls zugegen gewesen war, dem Älteren einen hasserfüllten Blick zu, der diesem jedoch nicht mehr als ein müdes Lächeln entlockte. »Wartet nur«, zischte er ihm hinterher. »Bald werden wir sehen, wie gut Ihr auf Eure wohlbehütete Tochter achtgeben könnt!«
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Die zweite Märzwoche war mit einem aufgelockerten Gemisch aus Sonne und Wolken angebrochen, und während die windgepeitschten Wipfel an den Berghängen über der sizilianischen Stadt noch kahl und grau waren, trieben die Mandel- und Orangenbäume an der Küste bereits erste Blüten. Da die höhergestellten Persönlichkeiten nach dem Fall der Stadt innerhalb der schwer beschädigten Mauern Unterkunft bezogen hatten, genoss Harold den Luxus einer eigenen Kammer, die zwar – wie seine Schlafstelle im Tower – moderig und lächerlich klein war, aber immerhin ein eigenes Fensterchen besaß. Nachdem Essex und die anderen Mitglieder des Beraterstabes zu einem Treffen in den von Richard bezogenen Palast gerufen worden waren, hatte der Knabe Zeit, sich um die lange vernachlässigten Reitstunden zu kümmern und seinen mittelmäßigen Schenkeldruck zu verbessern. Ungehalten über seine Ungeschicklichkeit jagte er aus dem Stallgebäude zurück in die Eingangshalle des einstöckigen Gebäudes, in dem er, Essex, Littlebourne und drei Ritter des Erzbischofs Zuflucht vor der feuchten Kälte des Winters gefunden hatten, um nach seinem linken Sporn zu suchen, der ihm im Eifer des Gefechtes vom Stiefel gesprungen sein musste.
»Wo kann er nur sein?«, murmelte er, ließ sich auf die Knie fallen und kroch auf allen Vieren über den staubigen Boden. Leise vor sich hin schimpfend sah er
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