Schwerter und Rosen
war, Euch aus dem Weg zu schaffen und sich die Gunst Eures Bruders, Prinz John zu sichern.« Harold keuchte auf. »Denn der Halbbruder dieses kleinen Meuchelmörders«, er machte eine wirkungsvolle Pause und starrte Harold hasserfüllt an, »hat sich nach dem Tod seines Vaters mit Eurem Bruder in England gegen Euch verbündet!«
»Nein!« Bevor Harold nachdenken konnte, war er aufgesprungen und stand nun vor Empörung und Furcht zitternd vor dem König, der mit einem ungeduldigen Wink seinen Wachen zu verstehen gab, ihn zum Schweigen zu bringen. Als sich eine schwielige Hand von hinten über seinen Mund schob, würgte Harold, ergab sich aber nach kurzem, erfolglosem Kampf in sein Schicksal und sank zurück auf die harten Steinquader. Das war es also, was die Vermummten im Schilde geführt hatten. Sie hatten den König aus dem Weg räumen wollen, um die Gunst des in England zurückgebliebenen, mit dem Erzbischof von Canterbury verbündeten John Lackland zu gewinnen, den sie für ihre Zwecke als geeigneter betrachteten! »Schafft sie mir aus den Augen«, fauchte Richard nur mühsam beherrscht. »Sie werden morgen früh auf dem Marktplatz aufgehängt!«
Vor den Toren Akkons, 14. Juli 1191
»Wir werden es niemals in dieser kurzen Zeit schaffen, die geforderte Summe aufzubringen«, stellte Salah ad-Din an seinen Bruder gewandt nüchtern fest. Sein rechter Fuß, den er sich bei einem überhasteten Sprung aus dem Sattel verletzt hatte, ruhte auf einem niedrigen Schemel. Nachdenklich ließ er die Hand sinken und beugte sich vor, um die schmerzende Stelle kurz über seinem Knöchel zu massieren. Nach der unzeremoniösen Hinrichtung des Assassinenführers, der mit dem Aufgehen der Sonne sein Leben verwirkt hatte, hatte der Sultan mehrere Dutzend seiner Vasallen zu den umliegenden Festungen gesandt, um die dort eingekerkerten christlichen Gefangenen zu ihm in das Feldlager zu bringen, von wo aus sie auf Forderung des englischen Königs im Austausch mit den hochgestellten moslemischen Geiseln nach Akkon geschickt werden würden. Während immer mehr der überraschten Ritter, Grafen und Barone im Lager der Sarazenen eintrafen, verdichteten sich die Gerüchte über den blutigen Fall der Stadt zu einer nicht mehr zu leugnenden Tatsache. Lediglich einer Handvoll Glücklicher war es gelungen, sich im Eifer des Gefechts davonzumachen und ihr nacktes Leben zu retten.
»Wir hätten von Anfang an mit ihm verhandeln sollen«, warf al-Adil seufzend ein und beugte sich ein wenig vor, um Salah ad-Din den Tiegel mit der zwar übel riechenden, aber überaus wirksamen Salbe zu reichen. »Ich hatte bei dem Anschlag von vornherein ein ungutes Gefühl.« Er stützte das Kinn in die Hände und betrachtete versonnen, wie sein Bruder die gräuliche Paste auf sein Bein auftrug und ein sauberes Dreieckstuch darum band. Warum Richard Löwenherz das Giftattentat überlebt hatte, blieb nach wie vor ein Rätsel. Niemand wusste genau, ob sich der Assassine bei der Wahl seines Verbündeten getäuscht hatte. Oder ob – wie die bereits einsetzende Legendenbildung vermuten ließ – der Engländer einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte, der ihm mehrere Leben gab. »Lass nach Philippa schicken«, befahl Salah ad-Din nach einigen Augenblicken des Schweigens schließlich resigniert und erhob sich vorsichtig, um seinen Turban, der sich gelöst hatte, neu zu wickeln. »Ich möchte, dass sie die Wahl hat, jetzt wo ihr Vater gefallen ist …« Seine Stimme erstarb, und er wandte rasch den Kopf, um die Gefühle, die sich beim Gedanken an das Mädchen Bahn brachen, vor Adil zu verbergen.
Ein Kerker in Akkon, 14. Juli 1191
»Warum Hugh? Warum?«, fragte Harold den neben ihm an die feuchte Wand des Kerkers geketteten Wildhüter seines Vaters, der reumütig den Blick zu Boden senkte und trocken schluckte. Sein mächtiger Brustkorb war von Striemen übersät, und über den buschigen, blonden Brauen klafften zwei tiefe Platzwunden, aus denen ihm das Blut in die Augen lief. Eines der Handgelenke, die von rostrauen Ketten umfangen wurden, war gebrochen. Und jedes Mal wenn sich der Bogenschütze nur eine Winzigkeit bewegte, ließ ihn der Schmerz den Atem durch die Zähne einziehen. »Ich weiß nicht«, murmelte er und schloss die verkrusteten Lider, um die hoffnungstötende Dunkelheit des stinkenden Gefängnisses einige Augenblicke lang auszusperren. Nach ihrer Ankunft in der ungastlichen Unterkunft im Keller der alten Zitadelle Akkons hatten
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