Schwerter und Rosen
er, bevor er dem Jungen einen groben Faustschlag in die Magengrube versetzte. »Aber der König will persönlich über dich richten.« Vor Schmerz und Entsetzen gelähmt, ließ Harold sich widerstandslos in die Gasse zerren, wo ihnen ein verdatterter Henry of Cirencester entgegentrat. »Was geht hier vor sich?«, verlangte dieser ärgerlich zu wissen. »Was treibt Ihr mit meinem Knappen?«
Anstatt einer Antwort sah auch er mehrere gezogene Waffen auf sich gerichtet, und es blieb ihm keine andere Wahl, als der Prozession zum Palast des Königs zu folgen. Auf der halben Meile, die sie bis dorthin zurücklegen mussten, scharte sich eine schnell anwachsende Zahl Schaulustiger um sie. Und als Harold schließlich in die Eingangshalle des Stadtpalastes gestoßen wurde, war er beinahe froh, dass sie ihr Ziel erreicht hatten. Nachdem die Abordnung durch das Gewirr der Korridore ins Herz des Gebäudes vorgedrungen war, wurde der Knabe schließlich in ein unangenehm riechendes Gemach gezerrt, in dem ein geschwächt wirkender Löwenherz auf einem Sessel thronte und die Ankömmlinge mit kaltem Blick musterte. Links und rechts von ihm waren die zum Kriegsrat gehörenden Earls und Ritter versammelt. Auf dem harten Steinboden vor dem improvisierten Thron des Oberbefehlshabers der Kreuzfahrertruppen lag bereits ein junger Mann auf den Knien, dessen Schultern von einem zerschlissenen Templerumhang bedeckt waren. Neben ihm hielt der Earl of Essex triumphierend einen silbernen Kettenanhänger in die Höhe, dessen Verzierungen Harold aus der Entfernung nicht erkennen konnte. »Was hat Euch so lange aufgehalten?«, erkundigte sich Richard missfällig. Doch bevor der Hauptmann seiner Wache erklären konnte, dass es nicht einfach gewesen war, Cirencesters Unterkunft zu finden, wandte er sich an den Knaben, der mit einem rüden Tritt in die Kniekehlen vor ihm zu Boden gezwungen worden war.
»Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?«, herrschte er Harold an, der vor Furcht schlotterte. »Wie lautet die Anklage, Sire?« Cirencester hatte sich aus dem Kreis der Soldaten gelöst und ließ sich mit gesenktem Haupt neben seinem Knappen nieder. »Das solltet Ihr eigentlich wissen«, knurrte Richard den rothaarigen Ritter an. »Denn Ihr werdet ebenso wie dieser Mann«, er wies auf Curd von Stauffen, »der Komplizenschaft bezichtigt!« Erschrocken schoss Harolds Kopf in die Höhe und wanderte von Henry zu Curd, den die Vorwürfe nicht zu erschüttern schienen. »Ihr werdet beschuldigt, den König vergiftet zu haben!«, dröhnte Essex, der nach einem fragenden Blick auf Löwenherz vortrat und sich vor den Gefangenen aufbaute. »Ihr, Euer Knappe und dieser Mann habt Euch mit dem Feind verbündet, um unseren gütigen Herrscher feige zu ermorden!« Die Ungeheuerlichkeit der Anschuldigung raubte Harold den Atem. Und während er damit kämpfte, nicht die Besinnung zu verlieren, fuhr Essex fort. »Dieser Templer ist der Bastard al-Adils – des Bruders des Sultans!« Viele der Versammelten tauschten empörte Blicke, und hätte Richard seinen Wachen nicht den Wink gegeben, einen schützenden Kreis um die Angeklagten zu bilden, hätte sicherlich der eine oder andere Dolch den Weg ins Herz der Beschuldigten gefunden. In dem überheizten Gemach schien es immer heißer zu werden. Und als inmitten der Vorwürfe, die der Earl of Essex mit nur mühsam verhohlener Schadenfreude vortrug, die Tür aufflog, zuckten sämtliche Augenpaare im Raum zu den beiden Männern, welche die Dreistigkeit besaßen, das Gericht zu unterbrechen.
»Das ist der andere!«, verkündete John of Littlebourne, der soeben den riesenhaften Hugh, den Wildhüter der Huntingdons, in den Raum stieß und triumphierend dessen Langbogen und den blutigen Bolzen, der de Ferrers das Leben gekostet hatte, in die Höhe hielt. Als Harolds entsetzter Blick auf die Schäfte der dazugehörigen Pfeile fiel, legte sich ein schwarzer Schleier über seine Sinne. Hätte Cirencester ihn nicht gestützt, wäre er zu Boden gesunken. »Dieser Mann ist ein Leibeigener Huntingdons!«, bellte Essex und trat auf den ebenfalls auf die Knie gefallenen Hugh zu. »Und nicht nur hat der Sohn seines Herrn ihn dazu gezwungen, den Earl of Derby – der Verdacht geschöpft hatte – in der Schlacht von hinten zu erschießen. Er hat ihn auch dazu benutzt, die Verhältnisse im feindlichen Lager auszuspionieren und eine Verbindung mit diesem Mann herzustellen.« Erneut wies sein anklagender Finger auf Curd. »Ziel des Ganzen
Weitere Kostenlose Bücher