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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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denen die durch Wälle verstärkten Ringmauern miteinander verbunden waren. Als er noch damit beschäftigt war, staunend die trotz des heftigen Beschusses immer noch prachtvollen Gebäude und Trutztürme der Hafenmetropole zu bewundern, brach unvermittelt die von Richard Löwenherz nur halbherzig befohlene Disziplin zusammen und die strenge Formation löste sich innerhalb weniger Augenblicke in einer Welle aus brüllenden Soldaten auf. Mit Triumphgeschrei auf den Lippen stürmten die Fußsoldaten, die den Rittern und Baronen gefolgt waren, an den Reitern vorbei, um das Verbot der Plünderung mit Missachtung zu strafen. Kaum hatten sie den innersten Ring der Befestigungsanlage erreicht, als sie in die engen, verwinkelten Gassen der Stadt ausschwärmten und – gefolgt von den gleichsam habgierigen Adeligen – Türen und Tore niederrissen, die verängstigten Bewohner in die staubigen Straßen zerrten und mit einer Gewalt wüteten, die vermuten ließ, dass die um Gnade flehenden Einwohner Akkons nicht mehr lange sicher sein würden. Das Klappern der eisenbeschlagenen Hufe hallte bedrohlich von den hoch aufragenden Mauern wider, vermischte sich jedoch nur wenig später mit dem schrillen Geschrei der um ihr Leben fürchtenden Frauen, Kinder und Männer, die wie Vieh auf dem Marktplatz zusammengetrieben wurden. Während eine Abordnung Schwerbewaffneter die Besatzung der Garnison in Ketten legte und in der Zitadelle der Stadt gefangen setzte, begannen die Soldaten des Königs mit der Zählung der Geiseln, welche von Salah ad-Din ausgelöst werden sollten.
    »Eine stolze Zahl«, hörte Harold Henry of Cirencester feststellen, bevor er von einem Knäuel aus Pferdeleibern abgedrängt und von dem Strom der wie von Sinnen brüllenden Soldaten in die Tiefen der Stadt geschwemmt wurde. Mit jedem Schritt, den seine nervös schnaubende Stute tat, verschlimmerten sich die auf den Knaben einstürmenden Eindrücke. Aus dem Augenwinkel sah er, wie ein Deutscher einer alten Frau das Kleid zerfetzte und sie mit dem Gesicht gegen die Wand ihrer ärmlichen Kate drückte. Mädchen, Knaben und Frauen wurden gleicherweise Opfer der gierigen Krieger. Und wer sich zur Wehr setzte, wurde kurzerhand besinnungslos geprügelt oder – im Eifer des Gefechts – erschlagen. »Seht zu, dass ihr nicht zu viele von ihnen umbringt!«, dröhnte der Bass eines englischen Barons an Harolds Ohr. Und als er schaudernd die Gelegenheit ergriff, in ein sich zu seiner Rechten öffnendes Gässchen einzutauchen, erblickte er an dessen Ende verwundert die Rückseite des Platzes, den er unfreiwillig verlassen hatte. Hoch über den Köpfen der Gefangenen und der triumphtrunkenen Bezwinger der Sarazenen schwankte einer der Männer des Herzogs von Österreich in dem von Osten aufgekommenen Wind, als er dessen neues Banner– einen rot-weißen Fetzen Tuchs – auf einem der von dichten Zinnen besetzten Türme aufzog.
    Die Schönheit des Tages spottete den abscheulichen Bluttaten, die etwa ein Drittel der Gefangenen das Leben kosteten. Hätte Löwenherz nicht um das Lösegeld gebangt und Männer ausgesandt, um dem Schlachten ein Ende zu setzen, hätten mit Sicherheit noch weitaus mehr Menschen ihr Leben an diesem schicksalhaften Tag verwirkt gehabt. Gerade als Harold seinen Dienstherrn nahe einer winzigen Kapelle ausmachte und sein Reittier wenden wollte, um sich an dessen Seite zu begeben, lenkte ihn ein lautstarker Streit ab. Dieser gipfelte nur wenige Augenblicke später darin, dass der von drei Dutzend Soldaten begleitete Knappe des Königs das Banner Leopolds von Österreich herunterreißen und – offensichtlich auf Befehl seines Herrn – durch den Schmutz schleifen ließ. Der Ausdruck, der sich bei dieser beleidigenden Tat auf den Zügen des feisten Österreichers ausbreitete, ließ Harold wider Willen hoffen, dass Löwenherz wusste, wen er sich damit zum Feind gemacht hatte. »Ihr verdammten Engländer!«, schickte der Anführer des deutschen Kontingents den Reitern hinterher, als diese sich anschickten, zum westlichen Ende der Stadt zurück zu galoppieren. »Ein Drittel der Stadt gehört mir!«
     
     
    Akkon, 14. Juli 1191
     
    »Ihr habt großes Glück, Sire«, verkündete der silberhaarige Leibarzt erleichtert. »Eure enorme Körpergröße hat Euch das Leben gerettet.« Fragend blickte der immer noch bleiche Richard Löwenherz in die Augen des Heilers. Dieser gab den Bediensteten, welche die gesamte vergangene Nacht das Erbrochene des Königs aus dessen übel

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