Schwerter und Rosen
Männer nehmen den Arrest, unter dem sie steht, sehr ernst.« Der Sultan nickte zufrieden. »Da sie die Zitadelle nicht mehr verlassen darf, hat sie sich voll und ganz dem Liebesspiel mit ihrem Lieblingssklaven verschrieben«, kicherte die junge Frau. »Es vergeht kaum ein Tag, an dem die beiden nicht stundenlang in ihrem Gemach verschwinden.« Auch Salah ad-Din musste bei dem Gedanken an seine Schwester und den halbwüchsigen Sklaven grinsen. »Nun«, brummte er, »wenn es sie von anderen Dingen abhält, soll es mir recht sein.« Er wurde ernst. »Morgen brechen wir auf«, ließ er Philippa wissen, die neugierig seinen Blick suchte. »Löwenherz hat den Vorsatz, Jerusalem einzunehmen, immer noch nicht aufgegeben.«
Akkon, 22. August 1191
Eine winzige Falte trat zwischen Curd von Stauffens Brauen, als er widerwillig vor dem englischen König auf ein Knie sank. Die Erfahrungen der vergangenen Wochen hatten ihn dem jähzornigen Herrscher gegenüber vorsichtig werden lassen. Da ihn die letzte Begegnung mit ihm um ein Haar das Leben gekostet hätte, war er dem von Richard ausgesandten Boten um so angespannter zu dem befohlenen Treffen gefolgt. Die breiten Schultern des mächtigen Herrn über Leben und Tod bedeckte bereits eine prächtige Rüstung, über deren Brustpanzer sich das Zeichen der Kreuzfahrer spannte. »Ihr wisst, warum ich Euch habe rufen lassen?« Da die Frage offensichtlich rhetorischer Natur war, senkte Curd lediglich den Blick und wartete auf weitere Einzelheiten. »Es war nicht besonders schwer, herauszufinden, wer Euer Vater ist«, fuhr Löwenherz mit einem Blick auf das von Curds Hals baumelnde Medaillon fort. »Etliche Ritter, die auch Eure Mutter kannten, wussten über dieses wohl nicht so gut gehütete Geheimnis Bescheid«, setzte er trocken hinzu. Wussten sie?, fragte sich der junge Templer unwillkürlich. War es nur ihm verschwiegen worden?
»Euer Onkel, Balian von Ibelin, der Jüngere«, unterbrach Richard seine Gedanken, »hat damals dafür gesorgt, dass seiner Schwester die Schande, die sie sicherlich über die Familie gebracht hätte, erspart geblieben ist, indem er Euren Ziehvater dazu überredet hat, sie zu ehelichen.« Er lächelte. »Er ist im Gefolge Konrads von Montferrat vor Kurzem nach Tyros zurückgekehrt«, beantwortete er die unausgesprochene Frage des jungen Mannes nach dem Oheim. »Deshalb seid Ihr aber nicht hier«, winkte er schließlich ab, nachdem er die energischen Züge des deutschen Ritters einige Momente lang eingehend betrachtet hatte. »Ihr werdet uns als Unterhändler dienen, sollten Verhandlungen nötig werden.« Es war weder eine Bitte noch eine Frage, sondern ein Befehl, der keinen Widerspruch duldete. »Wenn irgendjemand diese Heiden dazu bewegen kann, Vernunft anzunehmen, dann sollte es das eigen Fleisch und Blut sein!« Ob er sich bewusst war, wie beleidigend diese Aussage war?, durchfuhr es Curd. Doch da der englische König für seinen Mangel an diplomatischem Gespür bekannt war, sah er vermutlich nichts Anstößiges in seinen Worten.
Curd nickte. »Es wäre mir eine Ehre, Euch von Nutzen sein zu können«, erwiderte er glatt und machte Anstalten, sich von dem kalten Stein zu erheben. Tatsächlich kam ihm diese Wendung der Dinge sogar äußerst gelegen, da er seit dem kurzen Treffen mit Adil in Kairo darauf brannte, Gelegenheit dazu zu haben, den Vater, den er nie gekannt hatte, näher in Augenschein zu nehmen. Als er auf die Beine kam, fiel sein Blick auf eine der zahlreichen Schlachtszenen, welche die kostbaren Wandteppiche der Halle des Palastes zierten. Inmitten einer Horde verbissen kämpfender Männer thronte ein Ritter nicht zu erkennender Herkunft auf einem weißen Pferd, dessen Augen stier auf die blutrote Sonne gerichtet waren, welche im Hintergrund versank. Das Gesicht des Reiters hatte einen beinahe verklärten Ausdruck, und als Curd näher hinblickte, erkannte er, dass es sich bei der Webarbeit um eine Darstellung der Schlacht von Hattin handeln musste. Der Grund für die offensichtliche Weltenthebung des Kämpfers war ein riesiges, verkohlt wirkendes Kreuz, das am rechten Bildrand von Turban tragenden, Krummschwertern schwingenden Sarazenen dadurch entweiht wurde, dass sie ihre Notdurft darauf verrichteten. Wie gut es doch manchen Künstlern gelang, mit nur wenigen Details den Jahrhunderte alten Hass zwischen den beiden verfeindeten Religionen zu schüren!
»Bleibt in Reichweite, sobald wir am Abend das Lager errichtet haben«,
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