Schwerter und Rosen
Bericht nirgends verlautbaren zu lassen«, warnte Richard of Devizes den neben ihm herschreitenden Ansbert, der auf dem Weg zu einem der Stallgebäude war, um sein vom Herzog von Franken geerbtes Reittier zu satteln. Mit einem letzten Blick auf die saubere Schrift des deutschen Chronisten reichte er diesem die dünne Pergamentrolle zurück. In wenigen Stunden würde sich derjenige Teil der Kreuzfahrer, der beschlossen hatte, weiter nach Jerusalem zu ziehen, der Küste entlang auf den Weg in die Heilige Stadt machen – begleitet von der nur wenige hundert Fuß vom Ufer entfernt segelnden Flotte des Richard Löwenherz. »Er könnte Euch den Kopf kosten.« Die Warnung war deutlich genug. Da Ansbert selbst mit angesehen hatte, zu welchen Grausamkeiten der englische Herrscher fähig war, beschloss er, dem Rat des jungen Devizes, den er durch Zufall beim Einmarsch in die Stadt kennengelernt hatte, zu folgen und den Bericht erst einmal für sich zu behalten. Seit der englische König die Führung übernommen hatte, gab es für ihn ohnehin nicht mehr besonders viel festzuhalten, da es ihm an unmittelbarer Nähe zum Geschehen mangelte.
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Im Herzen des moslemischen Lagers, im Osten der gefallenen Stadt, saugte zur gleichen Zeit Salah ad-Din mit all seinen Sinnen die Gegenwart der blonden Philippa in sich auf. »Du bist dir wirklich sicher?«, fragte er das schlanke Mädchen mit den durchdringend blauen Augen zum wiederholten Mal. Und als sie ihn schmunzelnd auf den Mund küsste, durchströmte ihn trotz der Trauer um die Getöteten von Akkon ein Gefühl der Freude und Zufriedenheit, wie er es seit Langem nicht mehr verspürt hatte. »Weißt du«, sagte die junge Frau nach einigen Momenten des Schweigens. »Ich habe viel nachgedacht in letzter Zeit.« Sie runzelte die Stirn. »Es ist nicht immer alles so einfach, wie man denkt. Das Leben ist kurz oder lang, das weiß keiner von uns vorher. Nichts ist sicher.« Sie hielt einen Moment inne und strich sich eine Strähne aus der Stirn. »Aber der Sinn des Lebens scheint mir das Leben selbst.« Als Salah ad-Din fragend die buschigen Brauen hob, ergänzte sie diese für sie typische Aussage nüchtern: »Wenn man stets auf der Suche ist, kann es leicht passieren, dass man den Augenblick versäumt, in dem man dort angekommen ist, wohin man will.« Als sich die Furchen auf der Stirn des Sultans weiter vertieften, erläuterte sie lachend: »Ich bin lieber deine Gefangene«, neckte sie ihn und legte sich auf den Rücken, um die Goldstickerei auf der Leinwand des Zeltdaches zu betrachten, »als der Besitz eines dieser Barbaren.« Nach dem Tod ihres Vaters, des Herzogs von Franken, war das einzige Schicksal, das ihrer auf der Seite der Christen harrte, die Verheiratung mit einem der machtgierigen Vasallen des neuen Kaisers. Und dieser würde sie, genau wie ihr verstorbener Vater, lediglich als Mittel zum Zweck sehen. Zudem erfüllte sie der Gedanke an die Hygieneverhältnisse, die in den Lagern und Festungen der Franken herrschten, mit einem abgrundtiefen Ekelgefühl. »Dieser Krieg wird nicht ewig dauern«, setzte sie nach einer Weile versonnen hinzu. »Und wenn die Gefahr erst einmal gebannt ist …« Sie verstummte und sah den Sultan nachdenklich an.
Sie wusste, dass er genauso grausam sein konnte, wie der englische König; dass er Dinge befahl, von denen sie lieber nichts wissen wollte; dass er Feinde erschlug, ohne mit der Wimper zu zucken – so wie es alle Krieger taten. Und sie wusste auch, dass sie ihn eines Tages verlieren würde. Sobald ein anderes Mädchen seine Aufmerksamkeit erregte, würde er weiterflattern wie ein Schmetterling, der von einer Blüte zur nächsten zog. Sie lächelte schwach. Aber bis dahin würde er sie mit Liebe und Zärtlichkeit überschütten und ihr den Himmel auf Erden bereiten. Und das war mehr, als sich eine Frau jemals wünschen konnte. Zwar hatte ihr die Vorstellung, das Opfer einer plündernden und mordenden Horde von Kreuzfahrern zu werden unzählige schlaflose Nächte bereitet. Doch nachdem die Anzahl der Christen mehr und mehr schwand, hatte sie sich davon überzeugt, dass es so weit niemals kommen würde. »Ich kann es kaum glauben, dass Shahzadi tatsächlich aufgehört hat, ihre Wut an dir auszulassen!«, riss Salah ad-Din sie aus den Gedanken – ihren ernsten Gesichtsausdruck missverstehend. »Ja«, erwiderte Philippa, stützte den Kopf auf den Ellenbogen und küsste ihn sanft auf die mit dichtem Haar bedeckte Brust. »Deine
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