Schwerter und Rosen
verblasst. Voller Bewunderung blickte sich Harold of Huntingdon um, als die Abordnung der von Richard Löwenherz angeführten Kreuzfahrer, zu der außer ihm noch Curd von Stauffen, Henry of Cirencester, Gilbert de Clare, William de Roumare und William of Salisbury zählten, das Damaskustor durchritten. Die engen Gässchen entlang – das moslemische und christliche Viertel Jerusalems durchquerend – erklommen sie den steilen Anstieg zur Zitadelle der Stadt. Nach einem gescheiterten Versuch Richards, die Heilige Stadt einzunehmen, und einem vergeblichen Vorstoß Salah ad-Dins auf Jaffa, hatten die Herrscher beschlossen, die beim letzten Mal abrupt abgebrochenen Waffenstillstandsverhandlungen wieder aufzunehmen, um zu einer für beide Seiten akzeptablen Einigung zu gelangen. Vor einem dreiviertel Jahr hatte al-Adil die neuen kreativen Ideen des englischen Königs einfach ignoriert und damit dessen Zorn auf sich gezogen. Wutentbrannt über das Ausbleiben einer Antwort hatte Löwenherz beschlossen, auch die zerstörte Küstenstadt Askalon wieder aufbauen zu lassen, um von dort aus die Belagerung des nur wenige Meilen entfernten Jerusalems zu koordinieren. Doch trotz aller Anstrengungen schien das Vorhaben so gut wie gescheitert. Nicht nur hatte der von den Machthabern Akkons in der Zwischenzeit entmachtete Guy de Lusignan den Templern die Insel Zypern abgekauft, um sich dort niederzulassen; auch war Konrad von Montferrat im Frühjahr mithilfe der offenbar von den Handelsherren angeheuerten Assassinen aus dem Weg geschafft worden. Was dem französischen Grafen Heinrich von der Champagne die Möglichkeit eröffnet hatte, mit Zustimmung aller Parteien, die verwitwete Isabella von Jerusalem zur Gemahlin zu nehmen.
So schien es, als lege niemand mehr wirklich Wert darauf, die Heilige Stadt zu befreien, da selbst im Falle eines Erfolges die Beute nicht mehr nennenswert sein würde. Kaum hallten die Hufe der schwer gepanzerten Schlachtrösser von den Innenmauern der Zitadelle wider, als dienstfertige Sklaven herbeieilten, um den hohen Herren die Zügel zu halten und die Reittiere in die Stallungen zu führen. »Folgt mir.« Die schillernde Feder am Turban des Wesirs wippte auf und ab, als er sich vor den Besuchern verneigte, und ihnen anschließend den Weg in das Innerste der Festung wies. Die dicken Mauern wirkten dunkel und bedrohlich auf die Christen, die hinter jeder Ecke eine Falle vermuteten. Doch als sie schließlich in den hell gefliesten Audienzsaal des Sultans geführt wurden, legten sich die düsteren Befürchtungen, und einer nach dem anderen nahmen die Männer auf den niedrigen Sitzgelegenheiten Platz. Neugierig folgte Harold dem Blick, den Curd von Stauffen seinem Vater zuwarf, der sich an Salah ad-Dins rechter Seite niedergelassen hatte, und wie schon so oft zuvor fragte er sich, ob es dem Ritter nicht schwerfiel, seine persönlichen Gefühle hinter seiner Pflicht als Vermittler zurückzustellen. Bevor er den Gedanken jedoch weiter verfolgen konnte, erhob sich der Großwesir, um die im Vorfeld schriftlich vereinbarten Bedingungen zu verlesen.
»Fünf Jahre soll die Vereinbarung zwischen dem Beherrscher der Gläubigen und dem Anführer der Franken gelten«, verkündete er. »Die eroberten Küstenstädte sollen im Besitz der Christen verbleiben.« Ein zufriedenes Lächeln huschte über das Gesicht des englischen Königs. »Einzig die Stadt Askalon soll wieder niedergerissen werden. Jerusalem bleibt in der Hand des Sultans Salah ad-Din.« Unwilliges Gemurmel erhob sich, doch der Wesir räusperte sich und fuhr etwas lauter fort. »Den christlichen Pilgern soll der freie, ungehinderte Zugang zu den heiligen Stätten garantiert sein.« Es folgten noch zahlreiche, weniger wichtige Punkte, welche sich mit Kleinigkeiten beschäftigten, die Harold für gänzlich nebensächlich hielt. Als der monoton leiernde Staatsbeamte schließlich das Ende der ellenlangen Liste erreicht und diese zusammengerollt hatte, ließ Salah ad-Din ein riesiges, edelsteinbesetztes Kruzifix hereinschaffen, damit die Anwesenden die Einhaltung des Abkommens darauf schwören konnten. »Es gehört Euch«, stellte er mit einem anerkennenden Blick auf seinen Gegner fest, nachdem der Schwur geleistet und durch einen Händedruck besiegelt worden war. Und als Richard Löwenherz die Reliquie an sich genommen hatte, machte sich die Abordnung daran, die Festung zu verlassen, um nach Askalon zurückzukehren, von wo aus die Kreuzfahrer schon bald die
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