Schwerter und Rosen
Heimreise antreten würden.
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Als die Gesandtschaft schon längst am Horizont verschwunden war, trocknete sich im jüdischen Viertel der Stadt der Kaufmann Nathan verstohlen die Augen. »Lebt wohl, Vater!« Mit feucht glänzenden Augen schloss Rahel ihren Ziehvater ein letztes Mal in die Arme, um sich von ihm zu verabschieden. »Leb wohl, mein Kind«, erwiderte der in den vergangenen eineinhalb Jahren stark gealterte Nathan und griff in die weiten Gewänder, um einen kleinen, von einer fein gearbeiteten Goldkette baumelnden Anhänger hervorzuziehen, den er dem kaum dreimonatigen Knaben, den Rahel ihrem Gemahl soeben wieder abnahm, um den Hals legte. »Eigentlich hatte ich ihn für dich aufgehoben«, erklärte er mit erstickter Stimme. »Doch nun soll er deinen Sohn schützen.« Das Schmuckstück – ein sichelförmiger Mond – funkelte im gleißenden Licht der erbarmungslosen Augustsonne. Als der kleine Fulko den Fremdkörper auf der Haut spürte, stieß er einen Laut aus, der Rahel dazu veranlasste, ihm liebevoll über das flaumige Schwarzhaar zu streichen. »Ich hoffe, dass Gott auch weiterhin seine Hand über euch hält«, flüsterte der Kaufherr und wandte sich dem Mann zu, der seine Ziehtochter vor dem demütigenden Schicksal gerettet hatte, dass Shahzadi ihr zugedacht hatte. »Auch Euch wünsche ich das Beste, Curd.« Ernst ergriff er die starke Hand des jungen Mannes, der sich bereits in der Zitadelle von seinem eigenen Vater verabschiedet hatte. An seiner Brust ruhte ein prall gefülltes Ziegenlederbeutelchen, das eine nicht zu verachtende Summe in Gold enthielt, sowie die Miniatur al-Adils, die bei seinem ersten Besuch in der Zitadelle seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. »Gebt gut auf sie Acht.« Nathans Stimme erstarb. Mit einer letzten herzlichen Umarmung verabschiedete sich das Paar von dem Mann, dessen bedingungslose Liebe es Rahel ermöglicht hatte, ohne zu Zögern die Grenzen des Glaubens zu überschreiten, und wandte sich zum Gehen. »Ich werde jeden Tag für euch beten«, schickte er ihnen nach, als sie schon halb durch das schwere Tor verschwunden waren. »Gott sei mit euch.«
Akkon, Oktober 1192
Die ersten Vorboten der bald zu erwartenden, heftigen Winterstürme fegten bereits über die Küste und ließen die ansonsten so ruhige See aufgewühlt und bedrohlich erscheinen. Quellende, weiße Wolkenberge zeichneten sich scharf von dem beinahe bleigrauen Hintergrund ab, der alles Licht der schwachen Sonne zu schlucken schien. »Er sieht nicht gut aus«, bemerkte Catherine, die an der Seite ihres Gemahls an der Reling stand und neugierig dem Verladen der Pferde folgte, die sich nervös wiehernd und schnaubend dagegen wehrten, in den dunkel glotzenden Laderaum des Schiffes geführt zu werden. Harold, der wie so oft in letzter Zeit die Hand auf ihren prallen Bauch gelegt hatte, beobachtete den in der Tat geschwächt wirkenden Richard Löwenherz dabei, wie er mit offensichtlicher Abneigung den schmalen Laufsteg überquerte, der ihn an Deck des fassungsstarken Zweimasters brachte. Trotz des Erfolges, den er durch die Rückeroberung eines breiten Küstenstreifens zu verzeichnen hatte, sah man dem mächtigen Herrscher an, dass er mit dem Ausgang des Kreuzzuges alles andere als zufrieden war. Und die ihn seit einigen Tagen quälenden Durchfälle trugen nicht gerade dazu bei, seine gewittrige Stimmung zu heben. »Ich finde es leichtsinnig, dass er in Griechenland von Bord gehen will«, bemerkte Harold besorgt, während er den warmen Mantel mit dem Wappen des Hauses Leicester enger um die breiten Schultern zog. »Der Landweg ist so viel gefährlicher als die Überfahrt.« Nach einigem Zögern nickte Catherine versonnen und strich sich eine der im Wind über ihre Nase tanzenden Strähnen aus dem Gesicht, um besser sehen zu können.
»Solange er den Plan beibehält, inkognito zu reisen und nur von einer Handvoll Männer begleitet zu werden«, bemerkte sie leise und blickte ihrem Gemahl besorgt in die Augen. »Ich möchte nicht, dass dir etwas zustößt, weil ihm plötzlich einfällt, dass er auch dich als Bewacher braucht.« Beruhigend drückte der junge Earl of Leicester, der nicht zu der Abordnung um Löwenherz gehören würde, ihre Hand und küsste sie auf den Mund, der zu einem unsicheren Lächeln verzogen war. Ihre Bedenken vergessend, reckte sie sich auf die Zehenspitzen, um die Lippen über seinen kurzen Bart gleiten zu lassen, bevor sie sich mit geschlossenen Augen an ihn
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