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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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angeboten hatte. Kaum war dem Halsabschneider, der großspurig Nächstenliebe predigte, klar geworden, dass der Templer nur aus bitterer Not zu ihm gekommen war, hatte er alles versucht, um Profit aus der Lage des anderen zu schlagen. Wenigstens war die Gier des ziegenbärtigen Juden, dessen Kontor er nur zu gerne hinter sich ließ, unverhohlen!, dachte Curd wütend. Verbittert ließ er erneut die Finger über die warmen Münzen in seiner Tasche gleiten und fuhr die kunstvoll geprägten Profile darauf nach, während er dem engen Gässchen bis zu einer Gabelung folgte. Wie lange würde er dieses unwürdige Dasein noch fristen müssen?
    Bevor er seinem Gram und seiner Wut freien Lauf lassen konnte, ließ ihn der unverkennbare Geruch, der schwer über den Dächern hing, innehalten. Schnuppernd reckte er die Nase in die Luft. Irgendwo brannte es! Von einer Jahrtausende alten Neugier vorwärtsgetrieben, änderte er die Richtung, schlug eine Abkürzung durch die Färbergasse ein und eilte auf die Rauchwolke zu, die ihre Tentakel bereits bis weit in die Eingeweide der Metropole ausgestreckt hatte. Als er um die Ecke eines schiefen Hauses bog, öffnete sich die vor ihm liegende Straße zu einem kleinen, mit Palmen bewachsenen Platz am Fuße des Tempelberges, an dessen Ende ein zweistöckiges Gebäude lichterloh in Flammen stand. Überall rannten halb bekleidete Menschen durcheinander, und vor einem Anbau des Hauses hatte sich eine kleine Traube Schaulustiger gebildet. Als er erkannte, dass es sich um das Haus eines reichen Händlers handeln musste, wollte er den Aufruhr schadenfroh ignorieren. Doch dann fiel sein Blick auf eine weiß gekleidete Gestalt, die sich soeben von dem Sims eines Fensters abstieß und in die Tiefe stürzte. Das offene, dunkle Haar, das sich bei dem Sprung wie eine Schwinge ausbreitete, bildete einen auffälligen Kontrast zu dem weißen Gewand und der vom Licht der Flammen beleuchteten Steinmauer. Als der Feuerschein ihre bleichen, vor Furcht und Entsetzen verzerrten Züge erleuchtete, erkannte Curd mit einem Stich das Mädchen wieder, das er vor einigen Wochen dabei beobachtet hatte, wie es seinen Vater verabschiedete. Schwerelos wie ein Vogel glitt sie durch die Luft. Und hätten Erfahrung und Vernunft ihm nicht eingeflüstert, dass kein Mensch einen solchen Sprung unbeschadet überstehen konnte, dann hätte er all seine verbleibende Habe darauf verwettet, dass dieses engelsgleiche Wesen federleicht auf dem Dach des Anbaus landen würde. Wie gebannt verfolgte Curd den Sturz und zuckte zusammen, als der Mädchenkörper mit einem dumpfen Laut auf dem Dach des Gebäudes aufschlug.
    Ohne nachzudenken, stopfte der junge Ordensritter den weißen Umhang der Templer in den breiten Ledergurt, der seine Cotte zusammenhielt, und eilte auf die Menschenmenge zu. Grob bahnte er sich einen Weg durch die Schaulustigen. Niemand schien auf den Gedanken zu kommen, dem Mädchen zu helfen. »Eine Leiter!«, brüllte er einen Mann an, der an ihm vorbeihastete. »Wo ist eine Leiter?!« Aber der Rußgeschwärzte warf ihm nur einen leeren Blick zu, bevor er weitereilte, um in der Menge zu verschwinden. »Herr!«, drang eine angstvolle Frauenstimme an sein Ohr, und jemand zupfte ihn am Ärmel. Als er sich umwandte, erblickte er eine kleine, schlanke Frau mittleren Alters, die flehend zu ihm aufblickte. »Rahel!«, stieß sie halb schluchzend hervor. »Ihr müsst ihr helfen!« »Ja doch, Frau!« Curd packte sie hart an den Schultern. Ohne zu wissen warum, nahm er an, dass mit Rahel das gestürzte Mädchen gemeint war. »Das versuche ich ja!« Ihr furchtgetrübter Blick klärte sich ein wenig. »Aber ich brauche eine Leiter!« Verstehen dämmerte. »Dort drüben!« Hastig zerrte sie ihn zur Hinterseite eines kleinen Schuppens, an dessen Wand eine grobe Holzleiter lehnte. Ohne weiter auf sie zu achten, schleppte Curd die Leiter zu dem Anbau, legte sie an und erklomm die engen Sprossen. Auf dem Dach angekommen, kniete er neben der bewusstlosen jungen Frau nieder, drehte sie behutsam um und strich ihr das wirre Haar aus dem Gesicht. Ein dünner Blutfaden rann von der Schläfe die Wange hinab und verschwand im Halsausschnitt eines züchtigen Nachtgewandes. Ihr linkes Bein war in einem absurden Winkel von ihrem Körper abgespreizt, und die bloßen Ellenbogen und Knie zierten heftig blutende Abschürfungen. Dichte Rußflocken legten sich auf ihre Haut und vermischten sich mit Blut und kaltem Schweiß.
    Wie schön sie war! Einige

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