Schwerter und Rosen
Atemzüge lang schien der Tumult um ihn herum zu ersterben, während der junge Tempelritter das ohnmächtige Mädchen anstarrte. Das tiefe Braun ihres lockigen Haars korrespondierte mit den fein geschwungenen Brauen und dichten Wimpern, und das beinahe ovale Gesicht wurde beherrscht von einem sinnlichen, volllippigen Mund. Verzaubert blieb Curds Blick an ihrer hohen, glatten Stirn haften, auf der sich soeben ein weiteres Ascheflöckchen niederließ. Er hätte sie noch stundenlang so betrachten können, aber unvermittelt gab sie einen erstickten Laut von sich. Ihre Lider flackerten, und sie schlug blinzelnd die Augen auf. »Bleibt ruhig.« Behutsam schob er den Arm unter ihre Schultern und richtete sie ein wenig auf. »Ich werde Euch von hier fortbringen.« Die blaugrünen Augen verdunkelten sich vor Furcht und Schmerz. Ihre Brust hob sich, als sie etwas erwidern wollte, doch dann lief ein Zittern durch ihren Körper und sie erschlaffte in seinen Armen.
Portsmouth, August 1189
Begleitet von einer Verwünschung kämpfte Richard Löwenherz sich mit seinen schweren Stiefel durch das seichte Wasser der vorläufigen Anlegestelle von Portsmouth. Obwohl er die kürzeste der möglichen Überfahrten von Frankreich nach England befohlen hatte, waren die wenigen Stunden an Bord des mächtigen Kriegsschiffes genug gewesen, um den Fluch der Plantagenets – die Seekrankheit – voll über ihm zusammenschlagen zu lassen. Beinahe die ganze Zeit über hatte er sich – trotz der weisen Voraussicht nichts zu essen – übergeben müssen, und dementsprechend grässlich war seine Laune. Das dicke Leder seines Schuhwerks sog sich mit rasender Geschwindigkeit mit Meerwasser voll, und er hatte alle Hände voll zu tun, Cotte und Surkot vor den Wellen zu schützen. Diese Stadt braucht dringend einen Hafen!, fuhr es ihm durch den Kopf, als er mit gerafftem Mantel durch die Brandung watete. Sein widerspenstiger rotblonder Schopf flatterte in der starken Atlantikbrise, und in den energischen grauen Augen lagen Entschlossenheit und Tatendrang. Mit ausgreifenden Schritten verringerte er den Abstand zwischen sich und dem Kieselstrand, wo einige ärmlich gekleidete Fischerkinder hastig das Weite suchten. Über den blendend weißen Kalkfelsen der Klippen stand eine stechende Sommersonne, welche die halb zerfallenen Hütten der Leibeigenen zu versengen schien.
Mortimer, sein treu ergebener Knappe, war direkt hinter ihm in dem Kanal gelandet, versank jedoch soeben prustend im Wasser, als er über einen der glitschigen Felsbrocken stolperte. Kopfschüttelnd beobachtete der zukünftige König von England, wie der schlanke, hellblonde Bursche sich mit einer angeekelten Grimasse die Haare aus der Stirn wischte, einen Schwall Meerwasser ausspuckte und um sein Gleichgewicht kämpfte. Als Sohn eines englischen Earls war der Knabe vor beinahe fünf Jahren in seine Dienste getreten. Und als Richard ihm eröffnet hatte, dass sie bald in seine Heimat aufbrechen würden, hatte sich der junge Mann vor Freude, seine Familie wiederzusehen, beinahe an einem Hühnerbein verschluckt. Richard lächelte freudlos. Obgleich er froh war, dass ihm eine weitere Auseinandersetzung mit seinem Vater, Henry II., durch dessen opportunen Tod erspart geblieben war, verfluchte er die Notwendigkeit dieser Reise, die ihn dazu gezwungen hatte, seiner Heimat in Aquitanien wohl endgültig den Rücken zu kehren. Allerdings war ihm keine andere Wahl geblieben – wurden doch die Könige Englands traditionell vom Erzbischof von Canterbury in Westminster Abbey gekrönt und gesalbt. Hinter ihm hatte die Besatzung des Schiffes inzwischen die Bugluke geöffnet, um die kostbaren Reittiere der Passagiere an Land zu bringen, wo ihre Trensen- und Sattelbeschläge im Sonnenlicht funkelten. Wie sehr er sich darauf freute, endlich wieder einen Sattel unter dem Hintern zu haben!
Sobald er das Geld für den Kreuzzug zusammengekratzt hatte, würde er zu der Unternehmung aufbrechen, die seinen Ruhm unsterblich machen würde. Trotz der Tatsache, dass sein Vater im Januar den Saladin-Zehnten eingeführt hatte, der jeden besteuerte, der nicht vorhatte, an der geplanten Kreuzfahrt teilzunehmen, waren die Kassen noch nicht einmal zur Hälfte gefüllt. Richard hatte sich fest vorgenommen, alle unnötigen Ländereien und Baronien an den jeweils Meistbietenden zu verkaufen, um das Unternehmen zu finanzieren. Wenn nötig, würde er London selbst verschachern! Inzwischen war er an dem steinigen
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