Schwerter und Rosen
Vergangenheit geleistet worden waren, für nichtig erachtete. Ansbert wusste sehr wohl, dass sich der byzantinische Herrscher in einer Zwickmühle befand, und ihm das Zerwürfnis mit Barbarossa nur gelegen kommen konnte. Zumal er Gerüchten zufolge einer Weissagung seines Hofpropheten Glauben schenkte, die verkündete, dass das eigentliche Ziel des Heeres der Kreuzfahrer nicht Palästina, sondern Konstantinopel sei. Auch hatte Sultan Salah ad-Din die Grabeskirche in Jerusalem der byzantinischen Kirche unterstellt, was einen Triumph über die verhasste römisch-katholische Schwester darstellte. Wofür Isaak im Gegenzug der Eröffnung einer Moschee in Konstantinopel seine Zustimmung erteilt hatte. Es lief also alles auf ein Bündnis zwischen den beiden ungleichen Herrschern hinaus, die zwar nicht gerade tiefe Zuneigung füreinander empfanden, aber von einem Frieden mehr profitierten als von einer Auseinandersetzung.
Erstaunlich laut kratzte Ansberts Feder über die trockene Ziegenhaut, als er versuchte, die Stimmung so wahrheitsgetreu als irgend möglich einzufangen. Nach einigen nervenzerfetzenden Augenblicken spuckte Barbarossa schließlich vor dem knienden Boten aus und befahl einigen seiner Männer den Byzantiner mit einer entsprechenden Antwort auszustatten. Ansbert war klar, was das bedeutete. Der Bote würde gegeißelt, geschoren und mit bloßen Füßen in die Stadt zurückgesandt werden. »Schafft ihn mir aus den Augen«, zischte Barbarossa, dessen kahler Schädel inzwischen wie ein polierter Spiegel glänzte. Schweißtropfen schaukelten in seinem rot-grauen Bart, und er wirkte wie schon seit einiger Zeit erschöpft und müde. In Windeseile zerrten die gepanzerten Ritter den schmächtigen Mann auf die Beine, stopften ihm rüde den Mund und entfernten ihn aus der Anwesenheit ihres Herrn. »Ansbert!«, knurrte dieser. »Komm mit, ich will dir einen Brief diktieren!«
Eine Landzunge vor der Hafenstadt Akkon, August 1189
»Schafft die Stämme hierher!« Wild ruderte der stiernackige Anführer des pisanischen Trupps mit den Armen, um den Soldaten die Stelle anzuzeigen, an der die gewaltige, auf Rollen gelagerte Belagerungsmaschine zusammengebaut werden sollte. Der quadratische Unterbau war bereits montiert, und zwei Drittel des Wurfarmes und dessen Gegengewicht warteten nur noch darauf, von den Eseln in Position gezogen zu werden. Winde und Spannmechanismus des Katapultes fehlten noch, doch es würde nicht mehr lange dauern, dann war auch diese Furcht einflößende Kriegsmaschine – das Trebuchet – einsatzbereit. Seit zwei Tagen lagen sowohl die Pisaner als auch einige sizilianische Kreuzfahrer vor der Landzunge von Akkon vor Anker, um den landlosen König von Jerusalem, Guy de Lusignan, bei der Belagerung der strategisch wichtigen Hafenstadt zu unterstützen. Ganz Europa war vom Kreuzzugswahn erfasst worden, der wie ein Lauffeuer durch Städte und Dörfer gezogen war, wo Männer und Knaben ohne nachzudenken das Kreuz des Heiligen Krieges genommen hatten, um die Hauptstadt des Königreiches Jerusalem von den Sarazenen zurückzuerobern.
Nachdem der von Salah ad-Din aus der Stadt vertriebene Guy de Lusignan mehrere Male erfolglos versucht hatte, seinen treulosen Widersacher Konrad von Montferrat zur Übergabe der Stadt Tyros zu bewegen, war ihm schließlich der Geduldsfaden gerissen; und er hatte beschlossen, trotz aller Eide, die er Salah ad-Din nach seiner Gefangennahme in der Schlacht bei Hattin geleistet hatte, sein Königreich zurückzuerobern. Nun, da ein gewaltiges Kreuzfahrerheer unter Kaiser Barbarossa auf dem Weg ins Heilige Land war, wähnte er sich auf der sicheren Seite und hatte den Schritt gewagt, das strategisch wichtige Akkon anzugreifen. Die Muslime würden es sich mehr als einmal überlegen, ob sie dem Herrscher von Ägypten, Syrien und Jerusalem – Salah ad-Din – noch einmal zur Hilfe eilen würden; hatte die Eroberung der Metropole in den judäischen Bergen ihnen doch nicht gerade einen üppigen Profit eingebracht.
»Wir müssen die Katapulte so anordnen, dass sie die gesamte Stadtmauer bestreichen können«, bemerkte Guy, der die Anstrengungen der Pisaner mit kritischer Miene beobachtete, sachlich. »Nur so haben wir eine Chance, dem Außenwerk nachhaltigen Schaden zuzufügen.« Außer den zahlreichen Trebuchets verfügten die Belagerer über lange Sturmleitern, Mauerbrecher und Mangen – überdimensionale Armbrüste, die selbst die dicksten Tore durchschlagen konnten.
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