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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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nicht nur vor den beiden Fenstern ihres Schlafgemaches. Als sie zur Tür eilte, sah sie, dass die Flammen bereits dabei waren, die hölzernen Bohlen des Ganges und der Treppe aufzufressen. Überall im Untergeschoss hörte sie die aufgeregten Stimmen der Bediensteten, die wild durcheinander brüllend dabei waren, eine Eimerkette zu dem tiefen Brunnen im Palmengarten zu bilden. Das ganze Haus schien in Flammen zu stehen!
    Immer noch hustend presste sich das Mädchen den weiten Ärmel seines Nachtgewandes vor den Mund und hastete zu der kleinen Tür, die in die angrenzende Kammer führte, in der sich außer einigen Truhen auch ein winziges, mit Holzlatten vergittertes Fenster befand. Unter diesem Fenster, so wusste Rahel, sprang das Dach eines kleinen Anbaus hervor, in dem ihr Ziehvater einen Teil der weniger kostbaren Waren lagerte. Mit der Kraft der Verzweiflung zerrte sie eine der hölzernen Kisten an die Wand und kletterte darauf, um an dem Gitter zu rütteln. Nichts rührte sich. Schluchzend und halb ohnmächtig vor Furcht und Rauch ließ sie den Blick in dem inzwischen vom Feuer hell erleuchteten Raum umherwandern, bis er auf einen alten Eisenhaken fiel. Hastig sprang sie von der Truhe, strauchelte und schlug hart mit Ellenbogen und Knien auf dem Boden auf. Ohne den Schmerz zu beachten, rappelte sie sich wieder auf, packte mit klammen Händen den rostigen Haken und kletterte erneut auf die Truhe, wo sie all ihre Kraft aufbot, um das Stück Eisen gegen die Holzlatten krachen zu lassen. Der erste Hieb blieb erfolglos. Doch mit dem zweiten gelang es ihr, einen Teil des Gitters nach außen zu treiben. Und der dritte Schlag schließlich beförderte den Schutz vor Räubern mit einem lauten Poltern auf das Dach des Anbaus.
    Obschon sie vor Anstrengung zitterte und von der sengenden Hitze schweißgebadet war, stemmte sie sich an dem in Brusthöhe gelegenen Sims in die Höhe und schwang die Beine in die Fensteröffnung. Hinter ihr knisterten die Flammen unaufhaltsam weiter in ihre Richtung, wobei sie kleine, heiter quirlende Wirbel aus Rußflöckchen vor sich hertrieben. Wie tief unten das Dach des Lagers auf einmal zu sein schien! Der sonst so breit wirkende Anbau erschien viel kleiner und schmaler als sie ihn in Erinnerung hatte. Und die Mauer, die diesen mit dem Hauptgebäude verband, war ihr früher nie so hoch vorgekommen. Sollte sie springen? Gierig sog sie die Nachtluft in die schmerzenden Lungen, schloss einige Atemzüge lang die Augen und presste die Hände gegen den Rahmen, um nicht kopfüber ins Verderben zu stürzen. Über dem Lärm, den das Prasseln der Flammen verursachte, drang lautes Geschrei an ihr Ohr. Überall tief unter ihr rannten Menschen in kopfloser Panik über den Hof und die Straße – manche von ihnen wild in ihre Richtung gestikulierend. Während ihr Verstand noch fieberhaft arbeitete, ließ sie ein lautes Krachen in ihrem Rücken herumfahren, einen spitzen Schrei ausstoßen und um ein Haar den Halt verlieren. Ein Teil ihres Schlafgemaches fehlte! Die hölzernen Dielen hatten der Macht der gierigen Glut nachgegeben und waren in das darunter liegende Stockwerk gestürzt, wo sie eine meterhohe Fontäne aus Funken und Ruß in die Höhe sandten. Ohne einen weiteren Gedanken an die Gefahr eines Sprungs zu verschwenden, stieß sie sich von dem Sims ab und fiel in die Tiefe.

    *******

    Etwa eine halbe Meile weiter östlich verbarg der Tempelritter Curd von Stauffen sich so gut wie möglich im Schatten einer zwielichtigen Gasse. Während er mit den klimpernden Silber- und Kupfermünzen in seiner Tasche spielte, hoffte er halb darauf, dass ihm eine der zerlumpten Diebesgestalten einen Grund dafür gab, die Leere in seinem Inneren durch eine ordentliche Keilerei zu vertreiben. Im Schutz der hereinbrechenden Dunkelheit hatte er sich widerwillig zu dem kleinen Laden des jüdischen Edelsteinhändlers geschlichen, um eines seiner letzten Schmuckstücke zu versetzen, das es ihm gerade so ermöglichen würde, die Miete für seine schäbige Absteige bezahlen zu können. Wie schon so oft zuvor hatte er den Siegelring seines Vaters wieder in das zerschlissene Beutelchen zurückgelegt und einen weniger wertvollen Gegenstand gewählt – in der Hoffnung, dass sich die heikle Lage, in der er sich befand, in absehbarer Zukunft bessern würde. Schnaubend dachte er an die Demütigung zurück, die ihm einer seiner Glaubensbrüder im christlichen Teil der Stadt zugefügt hatte, als er diesem das Geschmeide als Pfand

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