Schwerter und Rosen
die Königinmutter trocken, bevor sie den Rückweg zum Hauptgebäude einschlug. »Ich werde noch heute anfangen zu packen«, versprach ihre Begleiterin, die sich ihr anschloss, um eine Vase für ihre vergänglichen Schätze zu besorgen.
*******
Froh darüber, Ablenkung von den eigenen Problemen zu finden, beobachtete Catherine die Szene aus einem der kleinen Fenster im zweiten Stock der Burg, bis die Damen im Schatten des Eingangs verschwunden waren. Nachdenklich runzelte sie die Stirn und fuhr sich mit dem Zeigefinger über den schlanken Nasenrücken. Natürlich waren den Hofdamen Gerüchte über Lady Alys zu Ohren gekommen. Aber Catherine konnte sich nicht vorstellen, dass sie der Wahrheit entsprachen. Warum sollte die Königin sonst so freundschaftlich mit der französischen Prinzessin umgehen, und ihr sogar erlauben, eines ihrer Privatgemächer zu bewohnen? Bevor sie die Absurdität der Situation weiter durchdenken konnte, rissen sie jedoch eine laut zuschlagende Tür und das Poltern eines umgestoßenen Schemels im Nebenzimmer aus den Gedanken. Erschrocken fuhr sie zusammen und sah sich nach einem Versteck um. Während ihr Herzschlag sich schmerzhaft beschleunigte, raffte sie die Röcke ihres Obergewandes und starrte wie gebannt auf den Durchgang zum Nebenraum. Hilflos zuckten ihre Augen von links nach rechts, von einem dünnen Wandbehang zu drei lächerlich kleinen Truhen, bis sie schließlich an einem Spiegel hängen blieben. Ein Teil ihres Verstandes erschrak über das Bild der totenbleichen jungen Frau, das ihr daraus entgegensah, wohingegen der andere Teil sich fragte, ob das Möbelstück ihr genügend Sichtschutz bieten würde. Ein weiteres Poltern ließ sie entsetzt die Luft anhalten. Sollte ihr Albtraum so schnell Wahrheit geworden sein?, fragte sie sich – starr vor Furcht. Sollte ihr Bedränger entgegen aller Vorsicht in Erfahrung gebracht haben, wo sie zu finden war? Einen entsetzlichen Augenblick lang unterbrach kein einziger Laut die plötzliche Stille. Dann durchschnitt ein langgezogenes Wimmern die Luft, das kurz darauf in abgehacktes Weinen überging. Die betäubende Angst fiel genauso schnell von Catherine ab, wie sie gekommen war, auch wenn sie immer noch leicht zitterte. Fahrig schob sie sich eine Strähne aus der Stirn und eilte nach nebenan in die kleine Kammer, die sie sich mit ihrer Freundin teilte. Was sie erblickte, ließ sie auf die schmale Bettstatt zuhasten, auf der Sophie mit dem Gesicht nach unten in die strohgestopften Kissen schluchzte. »Was ist passiert?«, fragte sie atemlos – die eigenen Sorgen vergessen. Sachte schob sie das Bliaud der jungen Frau aus dem Weg und setzte sich auf die durchgelegene Matratze, um der weinenden Gefährtin beruhigend die Hand auf den bebenden Rücken zu legen. »Sophie?«
Als das blonde Mädchen nicht antwortete, sondern ihr Gesicht weiter in die Kissen grub, begann sie, ihr sachte die Schultern zu streicheln, während sie darauf wartete, dass sich der Weinkrampf legte. Die Minuten verstrichen – untermalt vom immer trockener werdenden Schluchzen der Unglücklichen – bis die Verzweiflung langsam der Erschöpfung wich und die junge Frau still dalag. »Was um alles in der Welt ist geschehen?«, fragte Catherine schließlich leise und zog mit sanfter Gewalt die Kissen an sich, da sie fürchtete, Sophie könne darin ersticken. Einen Moment schien es, als wolle Sophie erneut in Tränen ausbrechen, aber dann drehte diese sich müde und kraftlos um und sah Catherine mit so viel Schmerz in den Augen ins Gesicht, dass dieser die Kehle eng wurde. Die sonst so klaren Augen waren trüb und gerötet vom Weinen, und die sommersprossige Haut wirkte aschfahl. »Ich werde in zwei Monaten den Herzog von Winchester heiraten«, verkündete Sophie schließlich tonlos und schlug die Hände vors Gesicht, um ihre Verzweiflung vor Catherine zu verbergen. »Den Herzog von Winchester?«, wiederholte diese entsetzt und starrte ungläubig auf die Freundin hinab. Der Herzog war mindestens dreimal so alt wie Sophie und hatte bereits vier Ehefrauen verschlissen. Man sagte ihm nach, dass er grausam und prügelsüchtig sei, und dass der Tod mindestens zweier Herzoginnen keine natürliche Ursache gehabt habe. »Wieso?«, stammelte Catherine fassungslos, griff nach den kalten Händen der verzweifelten Braut und drückte diese an sich. »Er verlangt keine Mitgift«, schnaubte Sophie, befreite sich aus dem Griff der Jüngeren und schob die klammen Finger unter ihre Beine.
Weitere Kostenlose Bücher