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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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bei«, murmelte sie und zog den Kopf ein, um sich hinter der Dame vor ihr zu verstecken. Ihre Unterlippe bebte, und das Herz hämmerte ihr bis zum Hals. Am Kinn des Earls of Essex prangte genau die gleiche Narbe, die sich an ihrem ersten Abend im Tower unauslöschlich in ihr Gehirn eingebrannt hatte!
     
     
    Vor den Stadttoren Philippopels, September 1189
     
    »Lange können sie die Stadt nicht mehr halten«, knurrte Arnfried von Hilgartsberg zufrieden, während er schweißnass vom Rücken seines Pferdes glitt und dankbar nach der Wasserkelle griff, die ein Knappe ihm reichte. Nachdem er mit tiefen, gierigen Schlucken getrunken hatte, goss er sich den Rest des abgestandenen Wassers über den Kopf und wischte sich die Augen. Dann schüttelte er sich wie ein Hund, was zur Folge hatte, dass eine kleine Staubwolke über ihm aufstieg. Unbarmherzig brannte die Sonne vom Himmel und setzte sowohl Mensch als auch Tier heftig zu. Aber das Kreuzfahrerheer würde vermutlich nicht mehr lange von der Hitze gebacken werden, wenn die Dinge weiterhin so liefen wie in den vergangenen Tagen. Mühelos hatten die Deutschen die von den Byzantinern errichteten Straßensperren niedergeritten und das Häuflein Soldaten abgeschlachtet, das mit beinahe bemitleidenswertem Eifer versucht hatte, den Einwohnern Philippopels die Zeit zu erkaufen, die diese benötigten, um ihre Siebensachen zusammenzuraffen und aus der Stadt zu fliehen. Aus allen Himmelsrichtungen wurden diejenigen der Gefangenen zusammengetrieben, welche klug genug gewesen waren, sich der Übermacht zu ergeben. Arnfried stieß prustend die Luft aus und klopfte seinem Hengst die verkrustete Flanke. Sowohl über den Dächern der Häuser als auch über der vertrockneten Landschaft lag ein Film aus Staub und Schmutz, der in jede Ritze, jede Nische und jede Falte zu kriechen schien. Viele der Kämpfer wirkten mehr wie Strauchdiebe als wie Soldaten, da ihre Kleider inzwischen verschlissen und ihre Rüstungen blind waren.
    Ansbert nickte. Auch er war zuversichtlich. Zwar tat ihm von den Torturen der vergangenen Tage jeder Knochen im Leib weh, aber genau wie die anderen Deutschen glaubte auch er an einen Sieg. Müde streckte er die Beine von sich und lehnte sich mit dem Rücken gegen einen Baumstamm. Dann grub er einen trockenen Kanten Brot aus seinem Proviantbeutel, klatschte ein Stück getrocknetes Fleisch darauf und biss hinein. »Was für ein Tag!« Der rothaarige Friedrich von Hausen, dessen vormals schneeweiße Haut die Farbe einer reifen Tomate angenommen hatte, ließ sich neben ihm auf einen der niedrigen Schemel fallen. Nachdem dieser kurz unter seinem Gewicht zusammenzubrechen drohte, beschränkte er sich auf ein leises Knarren und bohrte sich tiefer in den ausgedörrten Boden. »Ich kann es kaum erwarten, endlich wieder was Vernünftiges zwischen die Zähne zu bekommen«, brummte der Ritter und blies die Wangen auf. Wenig elegant riss er den Helm vom Kopf und fuhr sich durch den zerzausten Schopf. Im Gegensatz zu Arnfried und Ansbert, die beide noch nicht die Fünfundzwanzig erreicht hatten, war Friedrich bereits ein betagter Mann von über vierzig. Zwar zeugten die mächtigen Schultern von der bärenhaften Stärke des Ritters, aber sowohl sein Gesicht als auch seine schwindende Haarpracht verrieten sein fortgeschrittenes Alter. Rein zufällig war er vor wenigen Tagen, als er leicht angesäuselt austreten musste, früh morgens in eine Unterhaltung der beiden jungen Männer geplatzt, die hitzig darüber gestritten hatten, ob die moderne Dichtung in deutscher oder lateinischer Sprache verfasst sein sollte. Ansbert, der die meisten seiner Berichte in Latein zu Pergament brachte, fand Arnfrieds Idee, sein Nibelungenlied auf Deutsch abzufassen, ordinär und ketzerisch. Friedrich, der der Diskussion hinter einem verdorrten Busch gelauscht hatte, war, nachdem er seine Blase erleichtert hatte, zu den beiden getreten und hatte Arnfrieds Partei ergriffen, da er selbst Minnelieder in deutscher Sprache verfasste. Aus der angeregten Debatte hatte sich schnell eine Art Freundschaft entwickelt. Inzwischen steckten die drei Männer immer öfter zusammen, verbrachten erschöpft die Abende miteinander und tauschten Gedanken aus, die nicht für Jedermanns Ohren bestimmt waren.
    »Und ich träume immer öfter von einem kalten Bad«, brummte Arnfried von Hilgartsberg, der verdrossen auf dem zähen Dörrfleisch herumkaute. »Wenn morgen die Minen angebracht sind, gebe ich Philippopel keinen Tag

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