Schwerter und Rosen
Unterkünfte der einfachen Fußsoldaten in die Höhe, während die höhergestellten Persönlichkeiten ihren Rang und ihre gesellschaftliche Stellung durch die Kostspieligkeit ihrer Zeltstoffe unterstrichen. Rings um ihn herum wetteiferten Wesire und Hofbeamte um die Aufmerksamkeit der leichten Mädchen, die – kaum hatte sich die Nachricht von der Ankunft des Sultans verbreitet – zu Hunderten aus der Stadt geströmt waren. Unter Palmen und Orangenbäumen säuselten liebeshungrige Männer den von ihnen bezahlten Musliminnen und Christinnen törichte Worte ins Ohr, bevor sie sich mit den kichernden und ausgelassenen Dirnen in die privaten Bereiche zurückzogen. Das helle Klappern von beinernen Würfeln drang an sein Ohr. Und obwohl er das Glücksspiel ausdrücklich verboten hatte, würde er seine Mamelucken an diesem Abend noch nicht ausschicken, um die Übeltäter dingfest zu machen. Gähnend straffte er die Schultern und trat zurück in die Kühle und Stille seines Pavillons.
Philippopel, September 1189
» Heute wurde erneut die Hinterlist und Falschheit des byzantinischen Kaisers deutlich, als eine mit unsäglichen Beleidigungen gespickte Antwort auf den Beschwerdebrief unseres Herrn, des Deutschen Kaisers, aus Konstantinopel eintraf. Nicht nur titulierte der wortbrüchige Isaak den tapferen und ehrwürdigen Barbarossa als einen Lügner, sondern er warf ihm auch vor, die Absicht zu verfolgen, auf Konstantinopel selbst zu marschieren …«
Müde ließ Ansbert die Feder sinken. Egal wie sehr er sich auch bemühte, die Worte wollten heute einfach nicht so fließen, wie er es sich wünschte. Die Gegenwart des ungehalten in der Halle des großen Stadthalterpalastes auf und ab schreitenden Kaisers, der seit Tagen über seine Nierensteine klagte, trug nicht gerade dazu bei, dass sich der junge Mönch sammeln konnte. Ständig blaffte Barbarossa Pagen, Bedienstete und Boten an, die sich allesamt so rar wie möglich machten. Auch saßen das Entsetzen und die Abscheu über die erbarmungslose Abschlachtung derjenigen Einwohner, denen es nicht gelungen war, die Stadt rechtzeitig zu verlassen, noch zu tief, um ihn dazu zu befähigen, sich voll und ganz seiner Aufgabe zu widmen. Jedes Mal, wenn Ansbert die Augen schloss, suchten ihn die schrecklichen Bilder heim, die er wohl bis an sein Lebensende nicht mehr vergessen würde. Immer wieder sah er das Gesicht eines kleinen Mädchens vor sich, das ihn beim Einreiten in die Stadt aus einer lichterloh in Flammen stehenden Holzkate am Rande Philippopels entsetzt angesehen hatte, kurz bevor das Dach auf das Kind hinabgestürzt war. Schaudernd fragte er sich, wann Gott die Kreuzfahrer für den Frevel strafen würde, den sie begangen hatten – handelte es sich bei den Getöteten doch ausschließlich um Christen. Überall stapelten sich die inzwischen nach Fäulnisgas stinkenden Kadaver der Erschlagenen, von denen Frauen, alte Männer und Kleinkinder den Löwenanteil ausmachten. Und täglich nahm die Zahl der hungrig in die Stadt strömenden Ratten und Schakale zu. Die hundeartigen Tiere erfüllten Ansbert mit Abscheu, und wäre es nach ihm gegangen, hätte man die Leichen schon längst verbrannt. Doch Barbarossa hatte darauf bestanden, sie als Abschreckung ohne Begräbnis verrotten zu lassen. Ansbert konnte sich nicht erklären, warum der alte Kaiser die Gefahr einer Seuche auf sich nahm. Aber die Motivation hinter so mancher Tat des Rotbarts war für ihn ohnehin unergründlich.
Mit einem unwilligen Kopfschütteln versuchte er, die unangenehmen Gedanken zu vertreiben und sich erneut auf seine Arbeit zu konzentrieren. Hungrig langte er nach einem der frisch gebackenen Hirsefladen, mit denen die aus Furcht hilfsbereiten Armenier des Umlandes sie versorgten, und biss herzhaft hinein. Wie lange die Vorräte wohl reichen würden? Kurz nachdem sie aufgestockt worden waren, gingen die Lebensmittel bereits wieder zur Neige, und die Soldaten begannen aufs Neue, sich darum zu streiten. Wer mehr Geld hatte als die anderen, raffte so viel wie möglich zusammen, um nicht erneut hungern zu müssen. Die ärmeren Ritter und Waffenträger durchstreiften immer und immer wieder die geplünderte Stadt – in der Hoffnung, irgendwo verborgene Lager zu entdecken. Ansberts Gedanken gingen weiter auf Wanderschaft. Was würde geschehen, wenn die unterjochte Minderheit der Armenier bemerkte, dass sie einem noch mächtigeren Unterdrücker Tür und Tor geöffnet hatte, dessen Schlund
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