Schwerter und Rosen
Königs!
Vor den Toren Jaffas, 13. September 1189
Mit einem erleichterten Prusten sprang Salah ad-Din vom Rücken seines feurigen Araberhengstes und stürmte auf das von seiner Vorhut bereits errichtete Feldherrenzelt zu. In dem aus kostbarem Samt gefertigten, prunkvollen Eingangsbereich des Pavillons warteten bereits ein kühler Trunk und ein scharf gewürztes Fischgericht auf ihn, das zusammen mit den frisch gebackenen Fladen, einem Linsen- Koshari und gebratenen Heuschrecken sein Abendessen darstellen würde. Über einem kleinen Feuer köchelte zudem ein Lamm- Okra -Eintopf, und auf einem silbernen Tellerchen lockten Feigen und Birnen in Honig. Ein kahlköpfiger Sklave warf sich vor ihm auf den Boden, sobald der Beherrscher der Gläubigen das Zelt betrat. Aber Salah ad-Din ignorierte den Jungen und nahm dankbar den Becher entgegen, den ein etwas älterer, ebenfalls haarloser Knabe ihm reichte. »Lasst mich allein«, befahl er mit einem ungeduldigen Händeklatschen. Und kaum hatten die beiden Burschen den Pavillon unter tiefen Verbeugungen verlassen, warf er sich in den bequemen Klappstuhl, der neben der mit seidenen Kissen bedeckten Bettstatt stand, und biss gierig ein großes Stück aus dem leicht süßlichen Brot.
Die Gedanken an den jungen Tempelritter mit den Augen seines Bruders waren wie weggeblasen von den Neuigkeiten, die Salah ad-Din in den vergangenen Tagen mit der Dichte eines Pfeilhagels erreicht hatten. Kaum war die Gesandtschaft seines Bruders mit den lange ersehnten Geldmitteln durch die schwer bewachten Tore der Zitadelle geprescht, hatte der Sultan seine Vasallen aus Ägypten, Turkestan, Syrien und Mesopotamien zusammengezogen und war nach Akkon aufgebrochen, wo die Anzahl der Belagerer inzwischen einen Besorgnis erregenden Umfang erreicht hatte. Nach nur einem Tag scharfen Rittes lagerten seine Truppen nun vor den abweisenden Mauern der Stadt Jaffa, von der aus sie am folgenden Tag weiter nach Akkon ziehen würden, wo sie auf die Ankunft der Truppen aus den abgelegeneren Teilen des Reiches warten würden. Wenn alles nach Plan verlief, würde die moslemische Streitmacht die der Belagerer bald um ein Vielfaches übersteigen, und Salah ad-Din würde ein weiteres Mal seine Überlegenheit unter Beweis stellen können. Erneut grub er die Zähne in den saftigen Fladen und griff mit der Linken nach dem in ein Palmenblatt eingewickelten, gegrillten Fisch, dessen Aroma ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ. Zart wie Butter zerfiel die Speise auf seiner Zunge, und während er genüsslich versuchte, die Kräuter und Gewürze zu identifizieren, mit denen sein Koch dieses einfache Mahl in ein kleines Wunder verwandelt hatte, ließ er die Gedanken weiter schweifen.
Ohne schlechtes Gewissen hatte er die Staatsgeschäfte in die fähigen Hände seines Großwesirs gelegt, dessen Loyalität er sich absolut sicher sein konnte. Selbst wenn er Zweifel an der Integrität des alten Mannes gehegt hätte, so hätte ihn die Tatsache, dass seine Schwester Shahzadi ebenfalls in Jerusalem zurückgeblieben war, beruhigt. Denn ihr messerscharfer Verstand würde jeden Verrat und jede Intrige im Keim erkennen. Als von dem Fisch so gut wie nichts mehr übrig war, lud er sich etwas von dem Lammeintopf in eine fein gearbeitete Schale und griff – nachdem er den letzten Bissen geschluckt hatte – nach der klebrigen Süßspeise. Wie ein Stich fuhr ihm der Fruchtzucker in die empfindlichen Zähne, und er musste einen Augenblick innehalten, bevor er nach einer zweiten, tief violetten Feige angelte. Mit einem Seufzer nahm er den Helm ab und rieb sich die verschwitzte Stirn, nachdem er die öligen Hände in einer bronzenen Aquamanilie – einem Waschgefäß in Löwengestalt – gesäubert hatte. Der Tag hatte ihn angestrengt. Nicht nur brannten seine Schultern wie Feuer, er hatte auch das Gefühl, dass die Innenseiten seiner Schenkel ihm den heutigen Gewaltritt übel nahmen. Langsam, aber sicher schlich sich zu allem Überfluss auch noch ein dumpfes Kopfweh ein, das es ihm schwer machte, sich auf die vor ihm liegende Aufgabe der Strategiefindung zu konzentrieren. Er war eben keine zwanzig mehr, musste er sich grimmig eingestehen. Doch das sollte ihn nicht davon abhalten, den wortbrüchigen Guy de Lusignan das Fürchten zu lehren!
Angenehm gesättigt trat er vor sein prachtvolles Zelt und ließ den Blick über das geschäftige Treiben in seinem Heerlager schweifen. Überall schossen die schmucklosen, kegelförmigen
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