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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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unersättlicher war als der der Vertriebenen, von denen sie in den vergangenen Jahren immer wieder bis aufs Hemd ausgebeutet worden waren? Würden sie sich in die Berge zurückziehen und ihre Ziegenherden und Kornsäcke mitnehmen? Der Gedanke machte ihm Angst, und er stopfte so schnell wie möglich auch den Rest des Fladens in den Mund. Nachdem er das noch warme Brot mit einem Schluck wässrigen Weines hinabgespült hatte, griff Ansbert erneut nach der Feder und strich gedankenverloren über den warmen Kiel. Wie sollte er den Kaiser nur heldenhaft und edelmütig erscheinen lassen? Was sollte er auslassen, was in allen Einzelheiten schildern? Je öfter er sich mit diesen Fragen auseinandersetzen musste, desto häufiger wünschte er sich, die Bibliothek in Köln niemals verlassen zu haben. Bereits ein falsches Wort konnte ihn den Kopf kosten. Und wenn Barbarossas Stimmung weiterhin so gewitterhaft war, dann konnte jedes Wort das falsche sein. Er stieß einen Seufzer aus und spielte mit den flauschigen Daunen am Ende des Kiels. Das blütenreine Weiß schillerte leicht bläulich im Licht der Vormittagssonne, und die feinen Adern des weichen Horns schienen in seiner Hand zu pulsieren. Wie anders er sich diesen Kreuzzug vor ihrem Aufbruch aus Regensburg vorgestellt hatte! Niemals hätte der junge, eifrige Mönch sich damals träumen lassen, dass Glanz und Gloria des Gotteskrieges so schnell abblättern und das darunter liegende, hässliche Antlitz des Leids und der Not freilegen würden!
     
     
    Jerusalem, Jüdisches Viertel, September 1189
     
    Die Ruhe, die über dem immer noch nach verkohltem Holz riechenden Haus lag, war beinahe unheimlich. Schwer hing der beißende Brandgeruch in der Nachmittagsluft, und selbst das köstliche Aroma frisch gebackenen Brotes konnte den Gestank nicht vollständig vertreiben. Alles schien unwirklich und viel zu ruhig – ein Eindruck, der sich verstärkte, als Curd die Halle betrat. Sowohl die Bediensteten als auch die Bewohner des zweistöckigen Handelskontors unterhielten sich mit gedämpften Stimmen, um die erst vor Kurzem aus einer erneuten tiefen Ohnmacht erwachte Ziehtochter des Juden nicht zu erschrecken. Im Inneren des Hauses überlagerte ein schwacher Duft von Pfefferminz und Rosenöl den scharfen Geruch des Brandes, und durch die an diesem Tag nur angelehnten Fenster wehte eine angenehm warme Brise herein. Der Hekim, der soeben das Krankenzimmer verlassen hatte, nickte Curd zu und huschte hinaus ins Freie – beinahe als wolle er vor etwas fliehen. Der Ausdruck auf Dajas Gesicht, als diese dem Heiler nachsah, ließ Curd zuerst das Herz im Leib erkalten. Aber als die alte Dienerin sich ihm zuwandte, stahlen sich ihre Mundwinkel nach oben. »Versprecht mir, sie nicht zu überanstrengen«, forderte sie und hielt Curd mit sanfter Gewalt am Arm fest, als dieser augenblicklich in die Kammer stürmen wollte. »Sie ist noch sehr schwach. Der Hekim hat angeordnet, dass sie Ruhe halten muss.« Curd, der vor Ungeduld beinahe platzte, nickte ungehalten und streifte ihre Hand ab. Sein Herz hämmerte bis zum Hals, als er die Schwelle zu dem Raum übertrat, in dem er in den vergangenen Wochen so viel Zeit verbracht hatte, dass sich jede Einzelheit in sein Gedächtnis eingegraben hatte.
    Wie bei jedem seiner Besuche nahmen zwei der männlichen Diener links und rechts der Tür Aufstellung. Aber auch heute wandten sie dem Templer den Rücken zu und beobachteten das Geschehen in der Halle. Auch Daja zog sich zurück, nachdem sie Curd ein letztes Mal ermahnt hatte, die Kranke nicht zu lange mit seiner Gegenwart zu belasten. Curds Mund wurde trocken, als er sich neben dem Lager der jungen Frau niederließ. Unsicher griff er nach der leichten Leinendecke und knetete sie zwischen den Fingern, während er sich fragte, woran der Hekim wohl erkannt haben mochte, dass es Rahel besser ging. Ihre Haut war immer noch so bleich, dass die Adern durchschimmerten, und unter ihren Augen lagen die gleichen dunklen Ringe wie all die Tage zuvor. Keine Regung verriet, dass sie das Bewusstsein wiedererlangt hatte, und Curd wollte gerade verzweifelt nach Daja rufen, als sich die Lider der zerbrechlichen jungen Frau bewegten. Ein schwaches Husten ließ ihren Brustkorb erzittern. Dann schlug sie blinzelnd die Augen auf und bewegte wortlos die Lippen. Als sie den an ihrer Bettkante Sitzenden erblickte, murmelte sie etwas Unverständliches und schloss die Augen erneut. Einige furchtbare Momente fürchtete Curd, sie habe

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