Schwerter und Rosen
Wappen auf dem ausgebleichten Tuch um ein fränkisches handelte. Ein Begleiter ihres gefallenen Gatten hatte dieselben Tiere auf dem Schild getragen, und auch die Farben ließen keinen Zweifel zu. »Merkwürdig«, murmelte sie, ließ ein letztes Mal die Fingerkuppen über den Stoff gleiten und schob das Bündel an seinen Platz zurück. Langsam kam sie wieder auf die Beine, klopfte den trotz der gründlichen Reinigung in den Fugen verbliebenen Staub aus den Röcken und zupfte ihren Gebendeschleier zurecht. Mit fragend gerunzelter Stirn trat sie an das winzige, runde Fensterchen, das den Blick auf den Palmengarten freigab, und starrte blicklos in die Tiefe. Sollte Nathan etwa …? Der Gedanke, der sich in ihrem Kopf formte, erfüllte sie mit kaltem Entsetzen. Nein, es war undenkbar! Zu gut wusste der Jude, dass die Todesstrafe darauf stand, ein Kind aus andersgläubigen Verhältnissen jüdisch zu erziehen! Während sie versuchte, den furchtbaren Verdacht abzuschütteln, kamen tief unter ihr der Tempelritter und Rahel, die auf ihn gestützt ging, in ihr Blickfeld, und sie seufzte leise. Auch die immer ausgedehnter werdenden Besuche des jungen Mannes stellten ein Problem dar, das einer baldigen Lösung bedurfte. Wenn doch nur Neuigkeiten von Nathan einträfen! Grübelnd verfolgte sie, wie die beiden in den Schatten einer ausladenden Palme eintauchten.
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»Ich sorge mich so um ihn!« Die Stimme der immer noch beängstigend bleichen jungen Frau an der Seite des Templers bebte. Und die Hand, die federleicht auf Curd von Stauffens Arm lag, zitterte heftig. Seit der Ankunft Ilans, des nur mit Mühe und Not dem Hinterhalt in der Wüste entkommenen Diener Nathans, lastete die Ungewissheit seines Schicksals wie eine tonnenschwere Last auf Rahels Gemüt. Noch war keine Lösegeldforderung eingetroffen, und auch von den übrigen Mitgliedern der Karawane fehlte jede Spur. Aber wenn ihre Befürchtungen auch nur zum Teil zutrafen, dann drohte ihrem Ziehvater ein furchtbares Schicksal. Sie schluckte vernehmlich und senkte den Kopf. »Ihr dürft Euch nicht aufregen«, besänftigte der Ritter sie und hielt an, um ihr beide Hände auf die Schultern zu legen. »Ihm wird nichts geschehen.« Voller Liebe blickte er auf die feinen Züge des jungen Mädchens hinab, dessen Schönheit ihm jedes Mal aufs Neue den Atem raubte. Die hohen Wangenknochen und die großen Augen betonten die vollen, sanft geschwungenen Lippen, nach deren Berührung sich Curd beinahe schmerzhaft sehnte. »Sicherlich waren die Räuber nur auf seine Ware aus.« Eine dicke Träne löste sich aus ihren Wimpern und rann langsam die leicht gerötete Wange hinab. »Aber dann ist er ruiniert!«, hauchte sie entsetzt. »Er hat doch diese Kauffahrt nur unternommen, weil die Geschäfte in letzter Zeit so schlecht gehen.«
Verzweifelt schlug sie die Hände vors Gesicht und brach in haltloses Schluchzen aus. »Und wenn sie ihn nun töten?«, flüsterte sie erstickt und weinte wie ein Kind. Widerstandslos ließ sie sich von Curd an dessen Brust drücken, wo sie sich an die Falten seines Umhanges klammerte, bis die Verzweiflung schließlich abebbte und sie sich ein wenig beruhigte. Einige Herzschläge lang ruhte ihre Wange an dem rauen Gewebe des Mantels, bevor sie um Fassung rang, die geröteten Augen zu ihm hob und ihn wortlos anblickte. Nachdem er sie sanft gedrückt hatte, ließ Curd ihre Schultern los und ergriff die schlaff an ihrer Seite herabhängende Hand. »Ihr dürft ihn nicht aufgeben«, riet er ernst, und sie senkte beschämt die Lider. »Dann wird sich alles zum Guten wenden.« Verzweifelt hob sie erneut den Kopf und suchte seinen Blick. »Meint Ihr?« Es war kaum mehr als ein Seufzen. Die in Curds Hand ruhenden Finger bewegten sich ein wenig, als sie versuchte, den leichten Druck zu erwidern, und eine letzte Träne versiegte im Stoff ihres Gewandes. »Ja, glaubt mir.« Die Bangigkeit in ihrem Blick schnürte ihm schmerzhaft die Kehle zu. Wie sehr er dieses Mädchen liebte! Als sich ihr Mund zu einem zaghaften Lächeln verzog, konnte er sich nicht länger beherrschen. Langsam, um sie nicht zu erschrecken, beugte er sich zu ihr hinab und drückte ihr einen vorsichtigen Kuss auf den leicht geöffneten Mund. Zuerst versteifte sie sich erstaunt und wollte vor ihm zurückweichen. Aber als sie den sanften Druck seiner Hand im Rücken spürte, weiteten sich ihre Pupillen und sie gab in seinen Armen nach. Unvorstellbar weich und zart lagen ihre warmen Lippen auf den
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