Schwerter und Rosen
seinen, und als Curd behutsam mit der Zunge nach der ihren tastete, schlang sie die Arme um ihn und erwiderte seine Leidenschaft.
Vor den Toren Akkons, 4. Oktober 1189
Der durchdringende Klang der Kriegshörner schien die letzten Schleier der Dämmerung zu vertreiben und den Himmel in feurigem Orange erglühen zu lassen. Langsam und flammend schob sich die riesige Sonne über den Horizont, wo sie die scharfen Zacken der Gebirgskämme gleißend hervorhob. Am Flussufer des Kishon begrüßten Kraniche und Reiher als erste Vögel lautstark den neuen Morgen, und während die grau gefiederten, eleganten Tiere mit dem schwarzen Kopf und der roten Kehle ihren flaumartigen Kamm aufstellten, stelzten ihre unscheinbareren Verwandten hochbeinig durch das Schilf der Böschung. Das junge Rohr schwankte trunken in der vom Mittelmeer her wehenden, beinahe stürmischen Brise, die von Westen dunkle Unwetterwolken Richtung Küste trieb. Drei bis vier Stunden würde das Wetter noch halten, bevor einer der gefürchteten Herbstorkane die bis jetzt noch ruhigen Wellen in übermannshohe Brecher verwandeln würde, die mit zerstörerischer Kraft gegen die Planken der in der Bucht vor Anker liegenden Schiffe donnern würden.
»Ihr wisst, was ihr zu tun habt!«, bellte der im Sattel eines tänzelnden, lohfarbenen Hengstes sitzende Guy de Lusignan seiner Reserve zu. Diese hatte vor den mächtigen Toren der belagerten Stadt Stellung bezogen, um deren Bewohner daran zu hindern, der etwas weiter landeinwärts aufmarschierten Hauptarmee der Kreuzfahrer in den Rücken zu fallen. Voller Unmut presste er seinem Schlachtross die Fersen in die Flanken. »Dieser gerissene Hund«, murmelte er erbost, während er auf den von ihm befehligten rechten Flügel zugaloppierte, dessen Helme und Schwerter im Licht des frühen Morgens blitzten. Mit dem Geschick des erprobten Feldherrn hatte der vor drei Wochen vor Akkon angekommene Salah ad-Din das Christenheer dazu gezwungen, gegen die Sonne Aufstellung zu nehmen, indem er seine Truppen bereits vor Morgengrauen östlich der Stadt im Halbkreis hatte antreten lassen, sodass die Kreuzfahrer sich zwischen den Feinden eingekeilt sahen. Zuerst hatte es so ausgesehen, als sei die Streitmacht des moslemischen Herrschers lächerlich gering. Aber je mehr Zeit verstrichen war, desto mehr Männer waren zu ihm gestoßen, bis schließlich vor zwei Tagen ein über viertausend Mann starkes Kontingent aus Ägypten eingetroffen war.
Guy war ohnehin nicht gerade bester Laune, da die Nachricht vom Herannahen des immensen Heers des Sultans ihn dazu gezwungen hatte, den Groll gegen Konrad von Montferrat kurzzeitig zu begraben und den verhassten Nebenbuhler um Hilfe zu bitten. Und die Tatsache, dass er sich vom Feind in die schwächere Position hatte drängen lassen, trug nicht dazu bei, seine Stimmung aufzuhellen. Konrad, der mit den Tempelrittern zusammen im linken Flügel kämpfen würde, hatte ihn bei seiner Ankunft am gestrigen Abend deutlich spüren lassen, dass er sich bereits für den Gewinner in dem andauernden Streit um den Thron des Königreiches Jerusalem hielt. Mit einem verächtlichen Lächeln um den schmalen Mund hatte er Guy davon in Kenntnis gesetzt, dass die Schar seiner Anhänger immer größer und mächtiger wurde, und ihm die Abdankung ans Herz gelegt. »Wir werden sehen!«, fauchte Guy verstimmt und riss brutal an dem silberbesetzten Zügel seines Pferdes, das daraufhin schnaubend inmitten der leichten Kavallerie zum Stehen kam. Die ausdruckslosen Gesichter der Söldner verrieten keine Gefühlsregung, als Guy mit einer ungeduldigen Handbewegung das Zeichen zum Vorrücken gab.
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Während der rechte und linke Flügel der Kreuzfahrer in gemäßigtem Galopp auf die in Stellung gegangenen Sarazenen zuritt, überprüfte Salah ad-Din, der wie immer an der Spitze seiner Truppen kämpfte, ein letztes Mal in Gedanken seinen einfachen, aber wirkungsvollen Schlachtplan. Dann hob er die Hand an den Mund und ließ den durchdringenden Bariton über das Feld schallen: »Schießt!« Mit einem ohrenbetäubenden Surren schnellten die Bolzen der Armbrustschützen an vorderster Front von den Sehnen und durchschlugen dumpf die gegnerischen Panzer und Pferdeleiber. »Schießt!« Ein zweiter Pfeilhagel folgte dem ersten, wurde jedoch von den nun ebenfalls in dichten Wolken vom Himmel regnenden Geschossen der Christen teilweise abgefangen und ging ergebnislos zu Boden. Auf ein Zeichen hin rückte der rechte Flügel
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