Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
Zusammenstoß zu schützen, weit von sich gestreckt hatte. Hastig ließ er ihren von einem smaragdgrünen Tütenärmel umschlossenen Arm los und senkte den Blick zu Boden. Mit einer damenhaften Geste klopfte Catherine sich den nicht vorhandenen Schmutz von den Röcken und reckte das Kinn. »Es ist ja nichts passiert.« Obgleich sie ihm eigentlich die kalte Schulter zeigen wollte, schlich sich entgegen ihrer Absicht ein Lächeln auf ihr Gesicht, als er sie scheu ansah. Wie durchdringend blau seine Augen sind!, fuhr es ihr durch den Kopf. Doch gleichzeitig ermahnte sie sich, ihm nicht zu zeigen, was für Gefühle sie für ihn hegte. Es schickte sich nicht für eine junge Dame von Adel, einem Knappen mit mehr als der geforderten Höflichkeit zu begegnen. Schließlich wusste sie nicht einmal, wer er war! »Ich …« Er verschluckte sich beinahe vor Eifer. »Ich hoffe, Ihr habt Euch nicht wehgetan.« Nun konnte Catherine beim besten Willen nicht mehr anders, als ihm ein breites Grinsen zu schenken. »Nein«, frotzelte sie. »Wenn Ihr ein Ritter wärt, wäre es sicher nicht so glimpflich abgelaufen.« Auch Harold musste bei der Vorstellung eines Zusammenstoßes in voller Rüstung feixen. »Ich heiße Harold of Huntingdon«, stellte er sich vor und machte eine artige kleine Verbeugung. »Catherine de Ferrers«, erwiderte Catherine und sank ebenfalls in einen spöttischen Knicks. »Vielleicht treffen wir uns ja beim nächsten Mal etwas weniger stürmisch.« Mit diesen Worten raffte sie die Röcke und gab ihr Bestes, um elegant und graziös davonzustolzieren, während sie sich seines Blickes, der ihr bewundernd folgte, äußerst bewusst war.

    *******

    Lange starrte Harold der schlanken Silhouette hinterher, bis sie in einem Durchgang am Ende des langen Korridors verschwunden war. Beinahe hätte er den Brief in seiner Hand vergessen. Aber als er sich mit der Linken das Surkot zurechtziehen wollte, das bei der Kollision ein wenig verrutscht war, erinnerte ihn das Rascheln des dicken Papiers vorwurfsvoll an seine Aufgabe. Wenn er nur wüsste, wo er den Earl of Pembroke finden konnte, an den das Schreiben adressiert war! Seit mehr als einer Stunde streifte er bereits durch die Festung, doch bisher hatte ihm niemand sagen können, wo sich der Gesuchte aufhielt. Mit langen Schritten durchmaß der Knabe die Eingangshalle, die er inzwischen erreicht hatte, und trat durch die offen stehende, von zwei Männern bewachte Doppeltür ins Freie. Obschon der September sich bereits dem Ende neigte, war der Spätsommerabend noch erstaunlich warm, und das heitere Gezwitscher der Schwalben ließ den Eindruck entstehen, dass die kühlen Winde des englischen Herbstes noch ferne Zukunftsmusik waren. Doch Harold wusste, wie trügerisch diese Annahme war. Die Blätter an den knorrigen Linden und Eichen, die den weitläufigen Hof überschatteten, schienen bereits in Flammen zu stehen, und sobald die Sonne hinter den im Westen gelegenen Häuserdächern versank, wich die Wärme des Tages der feuchten, erdigen Kühle der Nacht.
    Der Schock über Rolands Tod saß immer noch tief. Zwar hatte König Richard seinen Dienstherrn nach dem furchtbaren Vorfall vor sich zitiert. Doch Gerüchten zufolge war es dem Earl of Essex ohne große Mühe gelungen, ihn davon zu überzeugen, dass es sich um einen Unfall gehandelt hatte. Zu unwichtig war der jüngste Sohn eines seiner Ritter aus dem Norden, als dass sich der König näher um die Angelegenheit gekümmert hätte. Allerdings hatte er Essex ermahnt, in Zukunft mit den körperlichen Züchtigungen seiner Schutzbefohlenen etwas sparsamer umzugehen, was dazu geführt hatte, dass Harold seit dem schicksalhaften Abend ein beinahe erträgliches Dasein fristete. Mit einem unterdrückten Seufzer steuerte der Knabe auf die flachen Stallgebäude zu, die sich an die Ostmauer duckten, um den letzten Ort in der Burg aufzusuchen, an dem er noch nicht nach dem Earl of Pembroke gefragt hatte.
    »Nein«, scholl ihm eine helle Tenorstimme entgegen. »Ihr müsst ihn ganz sanft anfassen.« Als er die Einzäunung der kleinen Koppel am langen Ende des Hauptstallgebäudes erreicht hatte, bog Harold nach links, um sich nur wenige Augenblicke später ein erheitertes Schmunzeln zu verkneifen. Dort stand der Gesuchte vor einer ungeschickt im Damensattel schaukelnden Lady, deren ehemals kunstvoll geflochtenes Haar in einer wirren Flut aus Locken unter der züchtigen Haube hervorquoll. »Dann tut er auch, was Ihr von ihm verlangt.« Mit

Weitere Kostenlose Bücher