Schwerter und Rosen
Salah ad-Dins auf den aus Tempelrittern bestehenden linken Flügel der Christen vor, und kaum hatten sich die Spitzen der beiden Heere berührt, begann das Schlachten. Nur wenige Augenblicke lang blitzte der kalte Stahl im Sonnenlicht auf, bevor er – durch das Blut der Getöteten stumpf – den Glanz verlor. Funken stoben, als die Krummschwerter der Muslime auf die Waffen der Belagerer trafen, und schon bald übertönte das Geschrei der Verwundeten den Schlachtenlärm. Abgeschlagene Köpfe landeten meterweit von den Körpern der Gefallenen, und wer nicht beim Aufprall schon tot war, den stampften Pferde und Menschen zu Brei. In Windeseile hatten die Ordensritter unter Führung Konrads von Montferrat solch klaffende Lücken in die Kavallerie der Muslime gehauen, dass der Sultan Teilen seines Mittelfeldes Befehl gab, den Bedrängten zur Hilfe zu eilen. Gleichzeitig rückten das Zentrum der Kreuzfahrer und das Zentrum der Anhänger Salah ad-Dins unaufhaltsam aufeinander zu, wobei die Armbrustschützen der hinter ihnen reitenden schweren Kavallerie den Weg freischossen.
»Bei allen Teufeln der Hölle!«, fluchte der Sultan ungehalten, als er erkannte, dass seine Strategie nicht aufzugehen schien. Wieder einmal hatte er die verhassten Ordensritter unterschätzt! Innerhalb weniger Augenblicke wuchs der Druck, den die Kreuzfahrer auf seine rechte Flanke ausübten, so immens an, dass die Generäle keine andere Wahl hatten, als zum Rückzug blasen zu lassen. Unter wüsten Verwünschungen und wildem Kriegsgeschrei setzten die Christen den Fliehenden nach, trampelten Verwundete nieder und zerfetzten mit den Hufen ihrer Schlachtrösser die am Boden liegenden Leiber, ehe sich ihre Reihen schließlich auflösten und sie zur Plünderung sowohl der gefallenen Kameraden als auch der Feinde übergingen. Wie Schakale stürzten sie sich in die knietiefen Blutlachen, die selbst der Sand nicht mehr aufzusaugen vermochte, und schändeten die Gefallenen. Überall wurden Finger abgetrennt, weil kostbare Ringe sich nicht abziehen ließen, Köpfe abgehackt, um an schwere, edelsteinbesetzte Halsketten zu gelangen und ganze Rüstungen auf die Rücken der bereits überladenen Tiere gehievt. In Windeseile verselbstständigte sich die Gier und entwickelte eine beängstigende Eigendynamik.
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»Diese Idioten!« Verzweifelt raufte sich Guy de Lusignan, der den Zusammenbruch der Disziplin aus einiger Entfernung verfolgte, die Haare. Die gesamte Schlachtordnung hatte sich in weniger als einer halben Stunde vollkommen aufgelöst. Und das, obwohl der linke Flügel des Sultans noch frisch und unverbraucht war. Prompt erscholl ein Fanfarensignal, und die gepanzerte Wand aus schwer bewaffneten Ägyptern und Türken setzte sich zusammen mit den berittenen Bogenschützen Salah ad-Dins in Bewegung, um über die leichtsinnig plündernden Christen herzufallen. Verzweifelte Schreie gellten über das blutgetränkte Schlachtfeld, als die Türken die zu Fuß Flüchtenden abschlachteten und ihnen bis vor die von Guys Reserve bewachten Stadtmauern nachsetzten. Dort kam es zu einem kurzen, aber heftigen Handgemenge, in dem das kleine Häuflein der Reserve aufgerieben wurde, was zur Folge hatte, dass sich die stark befestigten Tore öffneten und etwa fünftausend Sarazenen ausspien, die sich mit dem Rest von Salah ad-Dins rechtem Flügel vereinigten und über die siegestrunkenen Tempelritter herfielen. Hunderte sanken innerhalb der ersten Minuten tödlich getroffen in die Knie, darunter auch Gérard de Ridefort, der Großmeister der Templer. Und obwohl Guy ihn am liebsten seinen Feinden zum Fraße vorgeworfen hätte, gab er dennoch Befehl, den von einem halben Dutzend feindlicher Streiter bedrängten Konrad von Montferrat freizukämpfen. »Rückzug!«, donnerte er, und wendete ohne abzuwarten seinen Hengst, um auf die eigenen – auf der Landzunge vor Akkon liegenden – Stellungen zuzupreschen, in denen sich bereits die ersten der übrig gebliebenen Kreuzfahrer verschanzten.
Syrische Wüste, Oktober 1189
Eine gleißende Nachmittagssonne brannte erbarmungslos auf die nur von wenigen dürren Dornenbüschen unterbrochene, sandfarbene Ödnis nieder. Am Himmel, direkt über dem Kopf des jüdischen Kauffahrers zog ein halbes Dutzend hässlicher Geier erwartungsvoll seine Kreise, während das durchdringende Zischen einer Schlange in unregelmäßigen Abständen die Totenstille unterbrach. Nur wenige frostgesprengte Felsen boten dem Reisenden, der
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