Schwerter und Rosen
»Und du weißt doch, was ich von der Liebe halte.« Nun war es an Catherine, sich ein Lächeln zu verkneifen, wusste doch jeder, dass Aliénor von Aquitanien in ihrer Jugend alles andere als zurückhaltend gewesen war, was die Vergabe ihrer Gunst anging. Ebenso wie ihr Gemahl, hatte sie etliche skandalöse Affären zu verzeichnen, die mehr als eine Ehe zerstört hatten. »Ach«, setzte die Königinmutter in heiterem Ton hinzu. »Wusstest du, dass der Earl um deine Hand angehalten hat?« Erneut legte sich der Schwindel wie ein eisernes Band um Catherines Stirn, und ein Stich der Furcht fuhr ihr in das plötzlich rasende Herz. Dieser verlor allerdings sofort an Schärfe, als Aliénor wie beiläufig hinzufügte: »Ich habe ihn an deinen Vater verwiesen.«
»Gott sei Dank!« Die Worte waren heraus, bevor Catherine sich auf die Zunge beißen konnte, und sie schlug erschrocken die Hand vor den Mund. »Nur zu, meine Liebe, sei ehrlich«, ermunterte Aliénor sie mit einem erheiterten Blick in die Runde ihrer Hofdamen, die dem seltsamen Austausch mit nur schlecht verhohlener Neugier folgten. Kaum eine der Sticknadeln berührte die polierten Rahmen, und seit einigen Minuten schien jedes Gespräch im Raum erstorben zu sein. »Das ist heutzutage solch eine seltene Tugend!« Unterdrücktes Kichern aus einer Ecke ließ sie den strengen Blick auf eine ihrer unehelichen Enkelinnen werfen, die sofort den blonden Schopf senkte und vorgab, mit der Arbeit auf ihrem Schoß beschäftigt zu sein. »Berengaria von Navarra ist eine entzückende Dame«, fuhr die Königinmutter fort. »Du wirst gerne in ihren Diensten stehen.« Das werden wir ja sehen, schoss es Catherine durch den Kopf, und sie errötete leicht ob der Respektlosigkeit dieses Gedankens. »Und da sie Richard auf den Kreuzzug begleiten wird, wirst du deinen Knappen wiedersehen.« Die Röte wanderte von Catherines Wangen zu ihrer Stirn und ihren Ohren, bis hin zu dem tiefen Halsausschnitt ihres ockerfarbenen Bliauds. »Vielleicht erringt er ja Ruhm und Ehre.« Aliénors Stimme wurde eine Nuance tiefer. »Oder er stirbt als Held.«
Laodikeia, an der Grenze des Sultanats Ikonion, Mai 1190
»Unser Herr, Sultan Kilidsch Arslan, lässt Euch ausrichten, dass Ihr sicheres Geleit durch sein Gebiet habt.« Die Abordnung des Seldschukenherrschers hatte vor dem in voller Rüstung thronenden Barbarossa das Knie gebeugt und die Gastgeschenke zu einem nicht zu verachtenden Haufen aufgetürmt. Neben juwelenbesetzten Spangen, Dolchen und Schwertern wetteiferten Seidenballen, teure Gewürze sowie riesige Perlen um die Bewunderung des Beschenkten. Während die Gewandung des Deutschen Kaisers durch ihre Schlichtheit und Angemessenheit dem kriegerischen Anlass gegenüber bestach, blendeten Farbpracht und Prunk der türkischen Kaftane und Turbane das Auge des Beobachters. Unter den langen, schwarzen Bärten der Männer bauschte sich purpurne und lapislazuliblaue Seide, deren Aufschläge und Säume aufwendige Gold- und Seidenstickereien zierten. Hände, Arme und Ohren der Seldschuken waren überladen mit kostbaren Ringen und Reifen, an denen einer der Knienden voller Nervosität drehte. Das faltige Gesicht des alten Kaisers schien aus Stein gemeißelt, doch die tiefblauen Augen ruhten aufmerksam und leicht verächtlich auf der Gesandtschaft. »Wer’s glaubt, wird selig«, flüsterte der nahe des Zelteingangs stehende Friedrich von Hausen Arnfried von Hilgartsberg ins Ohr, der neben ihm ungeduldig von einem Fuß auf den anderen trat. »Wenn auf dessen Wort genauso viel Verlass ist wie auf Isaaks …« Er ließ den Satz unbeendet und reckte den Hals, um das Geschehen besser verfolgen zu können.
Nach Barbarossas Drohung, auf Konstantinopel zu ziehen, hatte der byzantinische Kaiser im vergangenen Februar den Widerstand aufgegeben und einen Vertrag mit dem Deutschen geschlossen, der vom Patriarchen der Stadt unterzeichnet und in der Hagia Sophia öffentlich verlesen worden war. Dieser hatte die zukünftige Marschroute des Heeres durch byzantinisches Gebiet geregelt, die Anzahl der Transportschiffe, die Kaiser Isaak den Deutschen zur Verfügung stellen musste, um den Bosporus zu überqueren, den Wechselkurs für Münzen, die Stellung von Geiseln und die Entschädigung für Inhaftierte. Ohne größere Zwischenfälle setzten die Kreuzfahrer über die schmale Meerenge und erreichten schließlich die Grenze des Byzantinischen Reiches und somit des christlichen Einflussbereiches. Was
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