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Schwerter und Rosen

Schwerter und Rosen

Titel: Schwerter und Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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auftauchten, ging ein erschrockenes Raunen durch die Reihen der Verteidiger. Bevor sich die Sarazenen fangen konnten, zuckten Pechfackeln an die Rohre, und binnen weniger Sekunden spuckten die ersten Türme bereits das schreckliche, als Griechisches Feuer bekannte Gemisch auf sie aus, das in einer Reichweite von über einhundert Fuß sowohl Menschen als auch Häuser und Wehrgänge in unlöschbare Flammen aufgehen ließ. Brüllend und halb von Sinnen vor Schmerz sprangen die Getroffenen von den Gängen, um sich auf dem staubbedeckten Boden zu rollen. Aber für die meisten von ihnen kam jede Hilfe zu spät. Während die erbarmungslosen Flammen ihnen die Haut von den Knochen fraßen, rannten die Unglücklichen kopflos hin und her, bis der Schock oder die Schwere der Verletzungen ihnen die Besinnung raubten und sie regungslos zu Boden sinken ließen. Der Gestank verbrannten Fleisches vermischte sich mit dem beißenden Qualm des aus Salpeter, Schwefel und Petroleum gespeisten Feuers und stieg in dichten Schwaden gen Himmel, die selbst die Sonne verdunkelten.
    Als die Flammen immer weiter um sich griffen und drohten, die gesamte Stadt in Schutt und Asche zu legen, wandten sich die verbliebenen Verteidiger – die Angreifer vor den Toren vergessend – von den Zinnen ab und taten das Einzige, das ihre Stadt vor dem Verbrennen bewahren konnte. Alle Scham vergessend, entblößten sich Männer wie Frauen vor den Augen der Feinde und versuchten, mit ihrem Urin die alles auffressende, züngelnde Lohe zu löschen, während der Beschuss von außen unvermindert weiterging. » Allahu akbar !«, tönte es zornig, als mehr und mehr Menschen in der Stadt sich dem Löschkommando anschlossen und somit den Soldaten die Möglichkeit gaben, sich wieder auf ihre Posten zu begeben und einen Gegenschlag zu führen. Sich in Sicherheit wiegend, hatten die Christen die Türme und Trebuchets noch näher an die Wallgräben herangeschoben – was sich jedoch mit rasender Geschwindigkeit als fataler Fehler erwies. Denn wie zornige Hornissen begannen nun ebenfalls Brandgeschosse aus der Stadt auf die Angreifer niederzuprasseln. Das hackende Stakkato des Aufpralls übertönte schon bald das Pfeifen der durch die Luft zischenden Steinkugeln, und so weit das Auge reichte, verwandelte sich das trockene Gras in ein brennendes Inferno. Innerhalb weniger Minuten stand auch ein Großteil der Katapulte und Wandeltürme in Flammen, deren Besatzungen schleunigst das Weite suchten. Zwar waren die Brände nicht so schwer zu löschen, wie die Feuersbrunst innerhalb der Stadt. Doch bis sich die ersten Eimerketten zur Bucht gebildet hatten, war von den meisten der brandneuen Belagerungsmaschinen kaum mehr übrig als ein trauriges, verkohltes Skelett.
    »Wir brauchen Verstärkung!«, erscholl in diesem Augenblick ein Ruf von einem aus Osten heranpreschenden Boten. Das Gesicht des kaum volljährigen Knaben war gerötet vor Anstrengung, und seine rechte Schulter zierte eine tiefe Schwertwunde. Sein ebenfalls nicht mehr ganz taufrisches Pferd kam wiehernd zum Stehen, als der Bursche an den Zügeln riss, um kurz vor Konrad von Montferrat aus dem Sattel zu springen. »Salah ad-Din hat den ersten Wall durchbrochen!« Sein Zeigefinger zitterte leicht, als er nach Osten wies, wo eine heftige Schlacht zwischen Kreuzfahrern und Sarazenen tobte. Mit einem unterdrückten Fluch gab Konrad einem seiner Offiziere Anweisung, die Bedrängten mit zweihundert Tempelrittern zu unterstützen, bevor er selbst zu seinem Zelt eilte, um den beschädigten Brustpanzer auszuwechseln und sich ebenfalls in den Sattel seines Rapphengstes zu schwingen. Was als Triumphtag gedacht war, verwandelte sich mit rasender Geschwindigkeit in ein Fiasko.
     
     
    Nonancourt, Mai 1190
     
    »Du bist gut, Junge.« Anerkennend drosch der hünenhafte Henry of Cirencester Harold, der sich den Helm vom Kopf riss und das verschwitzte Gesicht abtrocknete, auf die Schulter. Seine erschöpfte Stute stand mit zitternden Flanken neben ihm, und er warf mit einem tiefen Atemzug Lanze und Brustpanzer neben ihr auf den Boden, um sich in das weiche, duftende Gras fallen zu lassen. Über zwei Stunden hatte er an diesem ungewöhnlich heißen Frühlingstag auf dem Kampfplatz zugebracht, um die vernachlässigten Waffenübungen mit den anderen Knappen wieder aufzunehmen. Zu sehr hatte der Earl of Essex ihn in letzter Zeit mit anderen Dingen in Anspruch genommen, als dass der Knabe dazu gekommen war, seine Ausbildung fortzuführen.

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